„Ihr seid einfach spitze!“

von Redaktion

Arbeiterwohlfahrt (AWO) feiert in Rosenheim ihren 100. Geburtstag

Rosenheim – Rosenheims Oberbürgermeisterin wurde ganz deutlich: „Ohne die Arbeit der Arbeiterwohlfahrt mit ihren Angestellten und Ehrenamtlichen wäre eine soziale Stadt nicht möglich. Wir Kommunen sind auf diese Arbeit, vor allem auch auf die ehrenamtliche Arbeit, dringend angewiesen“. Diese Feststellung traf Gabriele Bauer jüngst auf dem Max-Josefs-Platz, wo die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ihren 100. Geburtstag feierte.

Im Kreis Rosenheim ist die Arbeiterwohlfahrt Trägerin von 40 sozialen Einrichtungen, von Kinderkrippen und Kinderhorten angefangen, über die Jugendsozialarbeit an Schulen und die Migrationsberatung für Erwachsene bis zum Mehrgenerationenhaus und Essen auf Rädern. Dazu kommt noch ehrenamtliche Arbeit in den Ortsverbänden.

Begegnung von
Mensch zu Mensch

So wäre ein soziales Leben in Stadt und Landkreis ohne die Arbeiterwohlfahrt wohl für viele nur schwer vorstellbar. Wobei es hier nicht nur ums nackte Geld geht – das wäre etwas, was die Kommunen noch am ehesten aufbringen könnten. Nicht bereitstellen können sie aber, wie Rosenheims Oberbürgermeisterin meinte, das was Hilfe erst zur echten Hilfe werden lässt: den sozialen Kontakt, die Begegnung von Mensch zu Mensch.

Das ist etwas, was vor allem die rund 400 Mitarbeiter und zahllose Ehrenamtliche der Arbeiterwohlfahrt einbringen. Ein Engagement, das die Oberbürgermeisterin mit den Worten würdigte: „Ihr seid einfach spitze!“

Woher dieses Engagement rührt, versuchte die Europaabgeordnete Maria Noichl (SPD) in ihrer Festrede auszuleuchten: „Es liegt an der Tatsache, dass da Menschen sind, deren Herzen nach wie vor für die Grundwerte der AWO – nämlich Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit, Solidarität und Toleranz – brennen“. Werte, die nach wie vor wesentlich seien.

Gleicher, freier
und gerechter

Zwar sei die Gesellschaft in den vergangenen 100 Jahren zweifellos gleicher, freier und gerechter geworden. Aber wirklich frei und gerecht sei das Zusammenleben „noch lange nicht“. Wer in prekären Lebensverhältnissen lebe, also schon halb in Armut, sei nicht wirklich frei. Und solange es für Männer und Frauen nicht tatsächlich und überall gleichen Lohn für gleiche Arbeit gäbe, sei auch Gerechtigkeit noch nicht erreicht.

Besonders viel Nachholbedarf sah Maria Noichl aber bei den Stichworten Solidarität und Toleranz. Gerade bei der Solidarität sei es in den vergangenen Jahren eher schlimmer geworden. Heute werde das Bemühen um Solidarität bisweilen geradezu mit Dummheit gleichgesetzt. Menschen, gerade solche, denen es nicht so gut geht, bräuchten aber die Gewissheit, dass sie nicht alleine sind, dass andere mit ihnen fühlen und auch streiten. „Das ist Solidarität, und Solidarität ist damit der Kit unserer Gesellschaft“ sagte Noichl. „Ihr von der AWO seid diejenigen, die diesen Kit Tag für Tag zusammenrühren und dafür gebührt Euch aller Respekt.“

Auch die Toleranz sei ein Wert, der derzeit dabei sei, außer Mode zu kommen. Hier setze die Arbeit der AWO, bei der jeder als einzelnes Individuum gesehen und akzeptiert werde, ein wichtiges Zeichen: „Die Idee, dass nur eine homogene Gesellschaft zukunftsfähig ist, ist ein Irrglaube. So eine einfältige Gesellschaft ist genauso gefährdet wie jede Pflanzenmonokultur, Stabilität findet sich allein in der Vielfalt“, meinte Noichl. Nicht umsonst fänden sich die Toleranz wie auch die anderen Grundwerte der AWO eins zu eins wieder in Artikel 2 der Europaverträge und seien damit eine wichtige Grundlage der Europäischen Gemeinschaft.

„Kennzeichnend für die AWO ist, dass diese hohen Werte stets in ganz pragmatischer Arbeit münden“, wie Peter Kloo, der Vorsitzende des AWO-Kreisverbandes schon zu Anfang des Geburtstagsfestes hervorgehoben hatte. Im Wiedergründungsjahr 1947 sei es um Hilfe bei der Nahrungs- und Brennstoffbeschaffung nach einem extrem kalten Winter gegangen. Auch habe man sich intensiv darum bemüht, die zum Teil heimatlos gewordenen Kriegsrückkehrer wieder einzugliedern. Heute beschäftige man sich zum Beispiel mit den Problemen, denen sich Familien bei der Kinderbetreuung gegenübersähen, wenn beide Elternteile arbeiteten, aber auch mit den Folgen der Tatsache, dass unsere Gesellschaft immer älter wird.

Wie diese Anpassung an die akuten Anforderungen in der Praxis aussieht, lässt sich am Beispiel von Katharina Gaiduk zeigen, eine der gut 400 Mitarbeiter der AWO. Sie arbeitete im Rosenheimer Mehrgenerationenhaus und sagt: „Wir sind da wie die Trüffelschweine – immer auf der Suche nach neuen Ideen, wie man die Problemstellen unserer Gesellschaft lösen könnte.“

Alt und Jung
zusammenbringen

Im Falle des Mehrgenerationenhauses sind das Versuche, Alt und Jung so zusammenzubringen, dass beide Parteien einen Nutzen davon haben. Zum Beispiel bei der Hausaufgabenbetreuung, um nur ein Feld von vielen zu nennen. Hier geht es darum, dass Kinder und Jugendliche auf der einen Seite jemanden haben, der sie ernst nimmt, der sich tatsächlich für sie interessiert. Etwas was im Elternhaus bisweilen zu kurz kommt, wenn beide Elternteile arbeiten. Und auf der anderen Seite sind da Senioren, die plötzlich wieder wissen: Ich bin noch was wert, ich werde gebraucht.

Für Gaiduk war die Geburtstagsfeier eine bedeutende Veranstaltung. Es sei für die Mitarbeiter, vor allem aber für die Ehrenamtlichen, einfach wichtig, ab und an zu erfahren, dass die eigene Arbeit auch von offizieller Seite gewürdigt werde. Und, so sagte sie angesichts des Max-Josefs-Platzes, der von Menschen in roten Westen mit der Aufschrift „AWO“ dicht bevölkert war: „Es ist einfach auch schön zu sehen, dass wir so viele sind.“

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