Psychose: Häftling greift Wärter an

von Redaktion

Gericht spricht 29-Jährigen frei

Rosenheim/Bernau – Weil er seine Medikamente gegen Schizophrenie und eine starke Paranoia nicht bekommen hatte, lieferte sich ein 29-jähriger Insasse der Justizvollzugsanstalt Bernau Mitte 2018 eine Rangelei mit Justizvollzugsbeamten. Dafür musste sich der Mann jetzt vor dem Amtsgericht Rosenheim verantworten.

Seit Januar 2018 befand sich der 29-jährige Münchner wegen einer Vielzahl von Vergehen, darunter Diebstahl, Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Schwarzfahren in der Justizvollzugsanstalt Bernau.

Scheinbar abwesend und teilnahmslos starrt der Angeklagte, der nach eigenen Angaben seit seinem 14. Lebensjahr Marihuana raucht, vor sich hin. Seine aktive Schizophrenie und eine starke Paranoia halten Neuroleptika in Schach. Derzeit befindet er sich in einem Institut mit betreutem Wohnen, wo er kontinuierlich medizinisch und psychologisch begleitet und überwacht wird.

Vorwurf: Widerstand

und Körperverletzung

Gutachter Prof. Michael Soyka bezeichnet ihn als erfahrenen Patienten, der seinen Zustand akzeptiert und bei der Behandlung und Medikamentierung positiv mitarbeitet. Genau dies aber führte zum Vorwurf von Widerstand und Körperverletzung, den er laut Anklage in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bernau begangen hatte.

Am 29. Juli 2018 bat der Angeklagte als Häftling um seine Medikamente. Ohne diese würde er nicht in diese Zelle zurückkehren. Der Justizbeamte erklärte ihm darauhin, dass der Arzt nicht mehr im Hause sei und er keinen Zugriff auf diese Medikamente habe. Als sich der 29-Jährige weigerte, in seine Zelle zurückzukehren, rief der Beamte Kollegen um Hilfe. Es kam zu einer Rangelei, infolge derer der Essenswagen umstürzte. Letztlich konnte der Angeklagte überwältigt und fixiert werden und wurde in eine Sonderzelle verbracht.

Strafe bislang „ohne

Auffälligkeiten“ verbucht

Der Tathergang wurde so von den Justizbeamten als Zeugen bestätigt. Wie auch die Tatsache, dass der Angeklagte unter dem Einfluss der normalerweise verabreichten Medikamente ohne Auffälligkeiten seine Strafe verbüßt habe.

Professor Soyka bestätigte, dass der Münchner chronisch an einer schweren Psychose erkrankt ist, die auf den frühen Drogenmissbrauch durch Marihuana (THC) zurückzuführen sei. Dessen dringliches Verlangen nach Medikamenten zum Tatzeitraum sei fraglos durch einen psychotischen Schub bedingt gewesen. „In derlei Zuständen ist es völlig glaubhaft, dass er bedrohliche Stimmen hört und einem Verfolgungswahn ausgesetzt ist“, sagte der Gutachter. Zweifelsfrei gelte hier der Paragraf 20 des Strafgesetzbuches, nämlich dass der Angeklagte zum Tatzeitraum die Strafbarkeit seines Handelns nicht erkennen konnte.

Entsprechend beantragten Staatsanwaltschaft und Verteidigung Freispruch, dem das Amtsgericht Rosenheim unter dem Vorsitz von Richterin Maike Merklin auch entsprach. Theo Auer

Artikel 1 von 11