Letzte Reise einer Künstlerseele

von Redaktion

Todkranker Rosenheimer Maler will zum Sterben zurück nach Hawaii

Rosenheim – Sein Leben ist so bunt wie seine Bilder: Die Geschichte von Franz Lautenschläger (73) aus Rosenheim könnte man verfilmen.

Als Künstler und Lebenskünstler, Frauenliebhaber und Frauenversteher pendelte er stets zwischen den Welten. Großer Werbe-Guru der Münchner Schickeria in den 70ern, deutscher Wellness-Papst in den späten 80ern, bewunderter Popart-Maler an den Traumstränden Hawaiis, wo er in den 90ern als „Francisco Luxembourg“, so der Künstlername, allerhand Schönheiten der Natur zu Papier brachte.

Doch wie so oft bei Abenteurern und bunten Vögeln gibt der Lebensfilm leider kein Happy-End her. Das Geld, die Frauen und die Freunde sind weg, die Jugend sowieso – und leider auch die Gesundheit. Seit knapp einem Jahr leide er an einer unheilbaren Form von Darmkrebs, sagt Lautenschläger, der sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten kann, zum Gehen einen Stock braucht. Auch einen leichten Schlaganfall hat er schon hinter sich.

„Ich habe einfach
keine Kraft mehr“

„Ich habe einfach keine Kraft mehr. Ich spüre, dass es bald zu Ende geht“, klagt der gebürtige Oberaudorfer. Weil es für Lebenskünstler selten eine hohe Rente gibt, muss er sich irgendwie in einer kleinen Mietwohnung im Rosenheimer Stadtteil Kastenau über Wasser halten. Gesellschaft leisten ihm im grauen bayerischen Herbst 2019 nur die farbenfrohen Bilder von damals, die an den Wänden hängen.

Von den Gemälden will er sich jetzt schweren Herzens trennen – für die allerletzte große Reise: „Ich möchte zum Sterben zurück in meine zweite Heimat, nach Hawaii“, sagt Lautenschläger. Um das Geld für den Flug über den Atlantik zusammenzukratzen, bleibt kein anderer Weg: Er muss die Bilder verkaufen, am besten alle 50 auf einen Schlag, an einen Kunstliebhaber: „Mir läuft ja die Zeit davon, und ich verkaufe sie unter Wert – versprochen.“

Welchen Wert seine Werke haben, ob es sich wirklich um Kunst handelt oder nur um Kitsch – darüber kann man wie immer streiten. Die Geschmäcker sind verschieden. Doch für Francisco Luxembourg besteht kein Zweifel: Seine bunten Bilder sind nicht nur „Ausdruck von Lebensfreude, Schönheit, Leichtigkeit und Weltoffenheit“. Sie stehen auch für eine Kunstform, die er selbst erschaffen hat: Romantic Pop-Art – „eine Gattung, die ich mir in den USA sogar eintragen und schützen ließ“.

Doch reich ist er damit weder in zwei Jahrzehnten auf Hawaii geworden noch bei einem zweijährigen Intermezzo in Kalifornien – einer farbigen Tänzerin aus Los Angeles zuliebe.

Faustgroßer
Tumor

Vor zehn Jahren ging es dann zurück nach Bayern, auch damals schon gezwungenermaßen, der Gesundheit wegen. Immerhin: Der faustgroße Tumor, der ihm auf der Insel schwer zu schaffen gemacht hatte, stellte sich bei der Operation in München-Perlach als gutartig heraus.

So kam der angeschlagene Rückkehrer in der Heimat schnell wieder auf die Beine. Als freischaffender Geist hatte der Maler Luxembourg in Rosenheim allerdings kein Glück mit seinen Ideen. An die goldenen Jahre des Buchautors Lautenschläger, der in Magazinen und Zeitungen als Begründer der Wellness-Bewegung gefeiert worden war, konnte er nie mehr anknüpfen.

Wie ein moderner Don Quijote kämpfte er gegen Windmühlen. Seine Bücher mit Titeln wie „Wellness: Locker aus der Krise“ oder „Wellness für Manager: Gesund durch die giftigen Jahre“ werden übrigens noch heute im Internet zum Kauf angeboten. „Aber damit verdienen nur die Verlage, ich kriege keinen Cent mehr.“

Ein Geschäftsmann und Diplomat war er nie. Und eine weitere große Schwäche: die Frauen. So wie der Mann mit der Löwenmähne ihre Schönheit verehrt, so verabscheut er Gewalt gegen Frauen. Also mischt er sich ein. „Wer im berüchtigten Echo-Park in Los Angeles den Latino-Gangs die Stirn geboten hat, der muss auch hier in Bayern Zivilcourage zeigen“, sagt er.

Doch wie Don Quijote in der Mancha bezog Lautenschläger in Rosenheim nichts als Prügel, wenn er wie in Honolulu oder LA den edlen Ritter und Retter spielte. So wie im Herbst 2014, als plötzlich drei bewaffnete Polizisten an der Haustür klingelten, ihm einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss unter die Nase hielten, die Wohnung auf den Kopf stellten und den Laptop beschlagnahmten. Dabei hatte Lautenschläger lediglich verhindert, dass ein Nachbarsmädchen (17) aus schwierigsten Verhältnissen immer wieder verprügelt wurde. Die OVB-Heimatzeitungen berichteten groß über den Fall. Der Retter kam sich vor wie im falschen Film (siehe Kasten).

Das Verfahren gegen ihn wurde zwar schnell wieder eingestellt. Aber kaufen konnte er sich davon – wieder einmal – nichts. Auf die Lebensrettermedaille wartet Lautenschläger bis heute. Nach der Flüchtlingswelle von 2015, als es Schlagzeilen gab, weil einige Asylbewerber – auch in der Region – Frauen und Mädchen vergewaltigten oder sogar töteten, eckte er mit unbequemen Aussagen und Gedichten an. Der Maler schrieb – an Merkel, Seehofer, die Oberbürgermeisterin. Der 73-Jährige sagt staatstragend-pathetisch: „Ein Volk, das seine Frauen nicht schützen kann oder will, verliert seine Ehre und geht unter.“

Sein Ende
soll bunt sein

Aber das wird Lautenschläger ja nicht mehr erleben. Sein Ende soll bunt sein – am Strand von Hawaii, der schon viele Künstlerseelen inspiriert hat. Doch Meer, Sonne und Horizont sind noch weit weg. Vorher muss er den Blick aufs Handy-Display richten. Wer sich für seine Pop-Art-Bilder interessiert, meldet sich unter Telefon 0151/ 55886627 bei ihm. Er wird sicher drangehen.

Lebensretter im falschen Film

Herbst 2014 im Rosenheimer Stadtteil Kastenau: Bei Lautenschlägers Nachbarsfamilie fliegen regelmäßig die Fetzen. „50-mal mindestens“ habe er schon die Polizei gerufen und „der Kleinen mehrmals das Leben gerettet“, sagt Lautenschläger. Die Polizei bestätigt, dass immer wieder Streifen zum besagten Tatort in der Kastenau geschickt wurden und es dort tatsächlich zu zahlreichen aktenkundigen Familienstreitereien gekommen ist. Ein Sohn hat mehrmals im Jugendgefängnis gesessen, die Schwester pflegte in ihrem muslimischen Umfeld einen eher westeuropäischen Lebensstil.

Doch wie so oft, wenn es um häusliche Gewalt hinter verschlossenen Türen geht und alle Beteiligten bei der polizeilichen Vernehmung den Mund halten oder einen Rückzieher machen, verlaufen die Ermittlungen im Sand. So dreht sich die Spirale weiter – und wenn die Tochter flüchtet und nicht weiß, wohin, nimmt sie Lautenschläger zu sich, lässt sie sogar in seiner Wohnung übernachten. Um sich zu schützen, lässt sich der Maler von dem Mädchen dreimal per Unterschrift bestätigen, dass er sich stets wie ein väterlicher Freund oder guter Onkel verhalten hat und nie etwas anderes im Sinn hatte. Die Dokumente zeigt er sogar der Polizei, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen: „Tut endlich was!“

Und die Staatsanwaltschaft tut etwas, ordnet eine richterliche Einvernahme an. Da behauptet das Mädchen jedoch, vermutlich unter dem Druck der Mutter, sie kenne die drei Schriftstücke gar nicht, habe sie folglich auch nicht unterschrieben. So klingeln die drei Polizisten plötzlich nicht mehr bei den Nachbarn, sondern bei Lautenschläger. Der Vorwurf: Urkundenfälschung. Der Weltenbummler muss eine Razzia über sich ergehen lassen: „Ich hatte mich in die Küche zu setzen, ein Polizist bewachte mich wie einen Verbrecher, der zweite suchte im Schlafzimmer, der dritte im Wohnzimmer – ein Alptraum.“ Doch kurz nach der Hausdurchsuchung erinnert sich die 17-Jährige doch wieder an die drei Blätter und daran, dass die Unterschriften unter den Texten von ihr stammen. Und sagt entsprechend aus. Fall erledigt.

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