Brannenburg/Bayrischzell – Der Laie gruselt sich, dem Fachmann „blutet das Herz“. Bestürzt kommentiert Marius Benner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Abholzaktion beträchtlichen Ausmaßes in den Bergen südöstlich des Sudelfelds. „Was ich da fühle, ist schon mehr als Bedauern“, sagt der Förster.
Was ihn so entsetzt, sind die Bilder, die sich mittlerweile auch übers Internet verbreiten: Bilder, die von Umweltfrevel zu künden scheinen, verübt im Biotop.
Es waren Wanderer aus Ingolstadt, die kürzlich eine böse Überraschung erlebten und über den „Donaukurier“ öffentlich machten. Die Landschaft rund um die Seeonalm sehe „fast wie eine Mondlandschaft“ aus. So beschrieb einer der Wanderer dem „Donaukurier“ die Szenerie.
Verlust eines
Kleinods
Die Fotos der Bergfreunde zeugen von Verwüstungen. Das Erdreich ist offenbar von Reifen schwerer Fahrzeuge zerpflügt, schütteres Gras, Wurzelgehölz und Steine dort, wo noch vor nicht allzu langer Zeit das rotorange Leuchten von Lärchen im Herbst Kenner anzog. Die Gegend um die Seeonalm herum, gelegen westlich vom Brünnstein, sie galt im Herbst als spektakuläres Wanderziel. Der Farbenzauber im Schatten des Steilner Jochs ist ganz offenbar Vergangenheit: Die geschlagenen Bäume sind entlang des Weges zu meterhohen Stapeln angehäuft. Ein Marterl, bei den Waldarbeiten offenbar umgerissen, liegt unbeachtet herum.
Nicht nur die Verwüstung der Landschaft schockte die Besucher von der Donau, sondern auch der Verlust eines auf lange Zeit unersetzbaren Kleinods: Lärchenwälder in dieser Art seien sonst nur in den Tauern oder in den Dolomiten zu finden und somit bayernweit nahezu einzigartig.
Ein von Menschen
gesetzter Wald
Marius Benner teilt die Einschätzung. Solche Lärchenformationen seien tatsächlich selten, und so sei dieses Naturwunder denn auch von Menschen gemacht: „Die Lärchen wurden dort einst angepflanzt.“ Um 1900 muss das gewesen sein, man kann es auch so sagen: die Urgroßväter pflanzten, was die Urenkel nun rodeten.
Die Behörden? Sie wussten von den Vorgängen an der Seeonalm. Zumindest hinterher. „Nach ersten Hinweisen über kleinflächige Baumfällungen 2016 reagierten die Behörden umgehend und es fanden Gespräche mit dem Eigentümer statt“, heißt es in einer „gemeinsamen Erklärung“ von Landratsamt und Forstamt. „Es wurde auf eine moderate Auflichtung der Almflächen unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten hingewiesen.“
Mit dieser freundlichen Ermahnung war der Vorgang für die Behörden zunächst abgeschlossen. Im Sommer 2017 suchten Mitarbeiter der Behörden das Gebiet auf – und sahen tatsächlich keine Anzeichen für weitere Fällungen.
Erst im Herbst 2018 bekamen Forstamt und Landratsamt Nachricht von neuen und diesmal „großflächigen Baumfällungen“. Man wartete nach einem Winter mit massiven Schneefällen bis zum Juli 2019. Nunmehr stellten die Behörden fest: Die Waldbauern haben offenbar heillos überzogen. „Nach erster Einschätzung der Behörden dürften die Fällungen in diesem Umfang als problematisch eingeschätzt werden“, heißt es in der Stellungnahme. Das Umweltministerium wird noch deutlicher. Da „naturschutzfachlich hochwertige Bereiche“ betroffen seien, gelten „besondere naturschutzrechtliche Schutzvorschriften“. Kahlschläge und Kahlsaumschläge im Landschaftsschutzgebiet benötigen die Zustimmung des Landratsamts. Für Rodungen von Waldflächen bedarf es einer Rodungserlaubnis des Forstamts. Genehmigungen, die nie erteilt wurden. „Der Sachverhalt und erforderliche Konsequenzen werden derzeit von der Unteren Naturschutzbehörde und dem AELF Rosenheim geprüft.“
„Handwerklich
schlecht gemacht“
Das weitere Vorgehen: Das könnte so aussehen, dass die Waldbauern zu Wiederaufforstungen angehalten werden. Auf der Fläche, gut zehn Fußballfelder groß, würde das die Waldbauern Zehntausende von Euro kosten. Zu diesem äußersten Fall wird es kaum kommen. Momentan sieht es so aus, dass womöglich allenfalls ein Drittel der Fläche wieder bepflanzt werden muss. Der große Rest wurde früher als Weidefläche für eine Alm genutzt. Damit handelt es sich um landwirtschaftliche Flächen, sozusagen nicht um Wald im Sinne des Gesetzes.
Der Bund Naturschutz hat eine Prüfung angekündigt. Peter Kasperczyk von der Kreisgruppe Rosenheim äußert zwar ein gewisses Verständnis für das Freihalten von Almflächen im Interesse des Artenschutzes, betont aber die Wichtigkeit des Erhalts von Bäumen für den Klimaschutz. Überhaupt, so findet er, war die Maßnahme „handwerklich sehr schlecht gemacht“. Kasper-czyk weiter: „Es wäre möglich gewesen, einen Teil der Bäume stehen zu lassen.“