Ein Zeichen zum Gedenken

von Redaktion

Unfall an Miesbacher Straße: Warum Sebastian Gröber Kreuze aufstellte

Rosenheim – Zwei Familien und ihre Trauer. Ein Unbekannter, der Teilnahme zeigte. Indem er weiße Kreuze aufstellte, dort, wo Ramona und Melanie vor drei Jahren tödlich verunglückten. Seit September rätseln die Rosenheimer, wer das war. Nun hat sich der Mann gemeldet und über seine Gründe gesprochen.

Stephanskirchner
hofft auf Lerneffekt

Können die Menschen aus Katastrophen lernen? Sebastian Gröber hofft das. In Österreich habe er vor Jahren zuerst jene Mahnmale gesehen. Weiße Kreuze am Straßenrand, die jemand aufgestellt hatte, um an Menschen zu erinnern, deren Reise an dieser Stelle endete. „Ich hatte schon den Eindruck, dass die Menschen an solchen Stellen langsamer fahren“, sagt Sebastian Gröber; „dass sie den Fuß vom Gaspedal nehmen.“

Dass die Menschen nicht rasen, dass sie vielleicht sogar kurz innehalten: Das wäre der Wunsch von Sebastian Gröber. Er wohnt mit seiner Frau in Stephanskirchen, 72 Jahre ist er alt, ein freundlicher Mensch, gelegentlich überschattet Trauer seine Augen. Dann, wenn er von Ramona und Melanie spricht. „Das waren so fesche Madln“, sagt er. „Und dass die beiden so begeisterte Trachtler waren, das…“ Da stockt Gröber kurz und fährt dann fort: dass er selber Trachtler sei, Mitglied bei Alt Rosenheim und bei den Gebirgsschützen. „Ich wollte ein kleines Denkmal setzen“, sagt Gröber.

Ein Symbol

zum Innehalten

Und so fuhr er raus, an die Staatsstraße 2095, dort, wo sie sich zwischen Auerbach und Kaltenbach hindurchwindet, zwischen einer Lärmschutzwand und einer steilen Böschung mit Betonsockel. Dorthin, wo am 20. November 2016 die Leben zweier junger Frauen endeten. Weil ein junger Fahrer aus Ulm zu einem riskanten Überholmanöver angesetzt hatte.

Und weil zwei andere Fahrer ihn nicht mehr hereinließen. Der Ulmer fuhr mit seinem Golf frontal in den Nissan der jungen Frauen. Melanie Rüth und Ramona Daxlberger starben, Magdalena Daxlberger überlebte schwer verletzt, ebenso wie der Fahrer des Golf und seine Beifahrerin.

Das alles, die Verantwortung des Ulmers wie auch der beiden anderen Fahrer, wurde in den vergangenen Jahren vor Gericht verhandelt. Dass die jungen Männer sich verantwortungslos verhielten, ist für Sebastian Gröber keine Frage. „Das Auto ist eine Waffe“, sagt er, „das sollte eigentlich jeder wissen.“ Aber das andere trieb ihn mehr um, das Leid der Familie, der viel zu frühe Tod zweier junger Menschen.

Gröber parkte sein Auto am Rand der Staatsstraße, nahm die Kreuze aus dem Laderaum seines Kombi, ging im Zwielicht des Septembermorgens an die bewusste Stelle. Werkzeug hatte er mitgebracht, sogar an eine Sense hatte er gedacht. „Um den Straßenrand freizuschneiden.“ Ein paar Minuten später standen die Kreuze, und es waren drei: Zwei für die beiden jungen Frauen vom Samerberg. Und ein drittes. Weil Gröber sich erinnert, wo andere nur schnell vorbeifahren. „Das dritte Kreuz“, so sagt Gröber, „ist für den Motorradfahrer, der da gestorben ist.“

Zehn Jahre ist das her. Und doch, wenn es nach Sebastian Gröber geht, noch immer ein Grund zum Innehalten.

Trauerarbeit soll unterstützt werden

Die Behörden haben die Kreuze natürlich bemerkt. Trauerarbeit sei wichtig und richtig, sagt Florian Deininger, Abteilungsleiter im Staatlichen Bauamt Rosenheim. Man prüfe im Einzelfall, ob Mahnmale am Straßenrand den Verkehr gefährden könnten, „da gibt es schon Extremfälle, wo dann ein meterhohes schmiedeeisernes Kreuz mit Fundament steht“.

Auch die Trauernden selbst dürften beim Besuch des Erinnerungsmals nicht in Gefahr gebracht werden. In solchen Fällen suche man den Kontakt, versuche, eine andere Lösung zu finden. In diesem Falle aber sehe man dafür keinen Anlass, „das ist so schon in Ordnung“, sagt Deininger.

Die Familien schätzen die Geste. Man sei dankbar für die Anteilnahme auch eines Unbekannten, hieß es von ihnen gegenüber dem OVB. Gröber las davon. Und entschloss sich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch „weil vielleicht jemand daraus lernt“, sagt er.

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