Rosenheim – Die SPD-Basis hat abgestimmt – und Saskia Esken und Norbert Walter-Borjan an der Spitze der SPD gewählt. Von Euphorie bis Ablehnung reichen in der Region die Reaktionen auf die Entscheidung.
„Sehr zufrieden“ äußerte sich der Rosenheimer OB-Kandidat Robert Metzger auf die Anfrage der OVB-Heimatzeitungen. „Das waren meine Favoriten.“ Von einem „Kasperltheater“ sprach hingegen der frühere Bundestagsabgeordnete Georg Bamberg. Elisabeth Jordan, Stadträtin und Vorsitzende des Unterbezirks Rosenheim, kritisierte die Genossen für die geringe Bereitschaft, auch nur per Mausklick abzustimmen. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte sie, „und das knappe Ergebnis stimmt mich auch nicht grad freudig.“
Was bedeutet die Abstimmung, die der Parteitag der SPD erst noch absegnen muss? Auf jeden Fall eine Zäsur, da sind sich die Beobachter des Politbetriebs in Berlin einig. Die beiden Neuen würde kaum jemand als sozialdemokratische Schwergewichte bezeichnen, doch auch die SPD-Politiker in der Region registrieren einen gehörigen Linksruck. Während aber die Wahl zweier GroKo-Kritiker an die Spitze der SPD allenthalben Zweifel am Fortbestand des Regierungsbündnisses nährt, äußern sich die Politiker in der Region gelassen. Die meisten glauben – mit nur leichten Vorbehalten – an einen Fortbestand der Allianz. „Der Koalitionsvertrag ist gut, und Olaf Scholz und unsere Spitzenleute haben eine Menge erreicht“, sagt Elisabeth Jordan. „Die GroKo steht aber ganz klar unter Beobachtung“, fügt sie hinzu und mahnt Gespräche über die Themen an, in denen die SPD ihre roten Linien gezogen habe.
Auch Metzger fordert Gespräche ein, sieht aber keine Neuwahlen am Horizont. „Die GroKo wird länger halten als so manche unken. Die SPD war immer staatstragend und sehr verantwortungsvoll.“ Auch Georg Bamberg glaubt: „Die wurschteln sich durch bis zum Ende.“
Von einem „Denkzettel“ für die alten Parteioberen spricht Lorenz Burgmaier, Juso-Vorsitzender im Landkreis Rosenheim. „Das war ein klares Signal der Basis, gegen ein ,Weiter so‘ und für einen neuen Kurs.“ Diese Forderung aber und die Wahl zweier GroKo-Kritiker müsse nicht notwendigerweise in eine bundespolitische Zerreißprobe münden. „Die GroKo ist glücklicherweise kein Thema, das die Vorsitzenden allein entscheiden, das muss die Partei als ganze entscheiden.“ Jetzt müsse man die Situation ausloten, gegebenenfalls die eine oder andere Stellschraube nachjustieren. „Und dann muss man schauen, ob die Absage der Union an Neuverhandlungen Bestand hat.“
Für die Diskussionen um den Fortbestand der Großen Koalition setzt es Kritik vonseiten des Regierungspartners. Es sei über den designierten Parteivorsitz der SPD und nicht über den Fortbestand der Großen Koalition entschieden worden, mahnt die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU). „So wichtig sind die Sozialdemokraten nun auch wieder nicht, dass deren Personaldebatten über die Interessen Deutschlands gestellt werden. Der Koalitionsvertrag ist bindend, so ist das nun einmal mit Verträgen.“
Vor einer Überbewertung der Personalfragen warnt auch Georg Bamberg, wenn auch aus anderen Gründen. „Als ich bei der SPD angefangen habe, waren noch Autoritäten vorn dran, Männer wie Brandt und Schmidt. Von den beiden Menschen aber, die die SPD jetzt führen sollen, habe ich vorher nie was gehört.“ Sein Fazit: „So eine Abstimmung sichert einem noch lang keine Autorität.“