Aschau – Lasst einfach die Musik sprechen! In der neuen inklusiven WG in Aschau gilt das vor allem für Lea und Marie (beide 21). Denn die Zwillingsschwestern tun sich besonders schwer mit der Kommunikation. Auch ihre vier Mitbewohner genießen es, in die Tasten oder aufs Schlagzeug zu hauen: Der Musikabend am Dienstag ist schon eine feste Einrichtung in der jungen Wohngemeinschaft. Und das soll mit Hilfe der Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ auch so bleiben.
Grötschl singt
und spielt Gitarre
Anke Grötschl, die im Aschauer Seniorenheim schon seit langem Betreuungsassistentin ist und dort mit den älteren Semestern musiziert, hatte ihre Dienste auch dem Benedetto-Menni-Nest e. V. angeboten. Sie selbst singt und spielt Gitarre und hat eine eigene Band. Die Idee kam gut an. So gut, dass sie schon kurz nach dem Einzug der jungen Erwachsenen im September mit ihren eigenen Instrumenten antanzte.
Die Begeisterung ist seither ungebrochen. Neben Lea und Marie sitzen Marlies (23) und Christine (26) einträchtig am E-Piano. Dass sie nicht nur musikalisch, sondern auch privat gut harmonieren, sieht man sofort.
Patrik (23) ist der „Shouter“, wie man auf neudeutsch sagt, erklärt Anke. Der junge Mann mag zwar feinmotorisch beeinträchtigt sein, aber singen kann er hervorragend. Viele Texte der englisch- und deutschsprachigen Lieder kann er mitsingen. Und sein „hey“, das er in den Rhythmus hineinruft, den Anke an der Gitarre, Samuel am Bass und Jaro am Schlagzeug vorgeben, zeugt von musikalischem Gespür.
Überhaupt ist Patrik der Musik-Mann im Haus. Wenn es darum geht, Parties zu feiern, dann ist er für den Sound zuständig und legt auf.
Jaro-Anton ist ebenfalls 23. „Mit acht habe ich schon Schlagzeug ausprobiert“, erzählt er. Dass er hier im Benedetto-Menni-Nest, dem Haus, wo er selbstständig in einer WG leben darf, wieder die Schlagstöcke schwingen und auf das Becken schlagen darf, freut ihn sichtlich. Mit breitem Grinsen sitzt er hinterm Schlagzeug. Samuel (13) zupft den Bass. Wenn nötig, stellt er die Bassgitarre in die Ecke und schlägt die Conga-Trommel. Samuels Zwillingsbruder Lukas erlitt schon im Mutterleib Einblutungen im Gehirn.
Zu wenig Wohnungsangebote
Unter anderem ihretwegen ist das Konzept des Benedetto-Menni-Nests entstanden. Denn ihre Eltern Bianca und Dietmar Klemens trieb eine Sorge um: „Was machen wir, wenn wir beide älter sind und nicht mehr für Lukas sorgen können? Oder wir ihn nicht mehr besuchen können, weil er zu weit weg wohnt?“ Schließlich gibt es zu wenig betreute Wohnungsangebote für junge Erwachsene mit Beeinträchtigungen.
Eine zweite WG soll
im März kommen
Zusammen mit Mitstreitern und Eltern beeinträchtigter Kinder gründeten sie den Verein Benedetto-Menni-Nest und entwarfen das Konzept der Wohngemeinschaften – im März soll ja eine zweite im ersten Stock dazukommen.
Statt eines großen Gartens hat Familie Klemens nun das geschmackvoll und barrierefrei gestaltete Haus als „Nachbarn“. Nur zwei Jahre lagen zwischen der Idee und dem fertigen Benedetto-Menni-Nest mit insgesamt zwölf Wohnplätzen. Natürlich sind rund um die Uhr Betreuer für die Bewohner da, auch die Angehörigen sind eingeladen, möglichst oft vorbeischauen.
Musikbetreuerin Anke Grötschel findet es „großartig, mit den jungen Menschen zu musizieren“. Als sie von dem Projekt hörte, wollte auch sie etwas tun. Und wie geht das leichter als mit Musik?
„Leider ist mein Mischpult veraltet, für Marlies und Christine bräuchten wir noch Mikrofone. Und Boxen wären natürlich auch super“: Die Wunschliste ist lang, das gibt sie gerne zu. „Ich würde auch gebrauchte Dinge nehmen – und einen Bandnamen brauchen wir auch“, sagt Grötschel.
Aber es ist ja erst los gegangen im Benedetto-Menni-Nest. Da geht sicher noch was. „Mit Musik geht alles besser, mit Musik fällt alles leicht“, heißt es. Aber solche alten Schlager spielt die WG nicht. Der Text passt zwar, aber nicht der Stil: „Wir spielen Pop und Rock.“ Aber jetzt „psst“ – die Probe beginnt, und schon legen sie los: „Let me entertain you.“
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