Es ist 5.30 Uhr morgens. Auf dem Weg zur Pfarrkirche treffe ich auf eine 87-jährige Frau, die mit ihrem Rollator auf die Kirchentüre zusteuert. Auch in der Sakristei traue ich meinen Augen nicht: Da warten bereits sechs gut gelaunte Ministranten, dass es endlich losgeht.
Während woanders gerade der Wecker läutet, sich das Radio einschaltet oder manche sich im Bett noch einmal umdrehen, feiern wir ein Engelamt, das heißt einen Gottesdienst in einer fast dunklen Kirche, nur mit unseren brennenden Kerzen in der Hand.
Weil ich so früh am Morgen immer noch etwas schlafgrantig bin und mich für die Rorate-Messen selber erst motivieren muss, frage ich mich manchmal schon, ob wir damit überhaupt noch zeitgemäß sind?
Aber dann werde ich eines Besseren belehrt. Es kommen weit mehr Besucher als sonst und die Ministranten tragen sich für die Engelämter sogar freiwillig in den Dienstplan ein. Die Gottesdienste frühmorgens im Advent haben ihren ganz eigenen Zauber. Wir sitzen im Dunkeln, kommen zur Ruhe und erwarten im Kerzenschein Christus als das aufgehende Licht und den neu beginnenden Tag.
Wenn sich anschließend alle Generationen zum gemeinsamen Frühstück im Pfarrheim versammeln und sich Schüler und Pendler nach Kaffee und Brezen dann auf den Weg machen, bin ich mir doch wieder sicher:
Wir sind mit unseren Engelämtern vielleicht zeitgemäßer als die ganze amerikanische Weihnachtsdeko, die zwar die Innenstadt, aber keine Herzen hell macht. Es ist „Herrgottsfrühe“ – und der Tag nimmt einen ganz anderen Verlauf.