Amerang – Gut gelaunt, aber müde. So kommt Moritz Rosengart zur Tür herein. Der 17-Jährige war gerade in der Malschule. Er freut sich schon aufs Erwachsensein – und die neue Wohngemeinschaft, die bald mit Hilfe der Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ in Rosenheim entstehen soll: „Da wäre ich auch gern dabei.“
Moritz verbringt jeden Freitagnachmittag mit kreativer Arbeit. Über Interesse an seinen Werken freut er sich. „Komm, ich zeig Dir meine Bilder“, lächelt er und läuft voraus in sein Zimmer. Dort stehen viele Gemälde. Die „blaue Welle“ etwa, die „Sonne vor grüner Landschaft“ oder „New York“, sein aktuelles Lieblingsbild. Keine Frage, der junge Mann hat Talent.
Moritz lebt mit seinen Eltern, einem älteren und einem jüngeren Bruder zu Hause. Ein männlicher Au-Pair unterstützt die Familie mit den drei Burschen, weil der Vater erst spät von der Arbeit in München kommt und die Mutter abends oft beruflich auf Achse ist.
Moritz braucht Unterstützung im Alltag – unter anderem, weil er kein Zeitgefühl hat. Jemand muss ihm sagen, was als Nächstes ansteht. Auch bei täglich wiederkehrenden Verrichtungen benötigt er eine Erinnerung, um sich nicht im großen Jetzt zu verlieren.
Doch das ist nur eine Facette von Moritz. Neben seiner künstlerisch kreativen Seite hat er eine wissbegierige und eine sprachbegabte. Bereits an der Grundschule hat er etwas Englisch und Spanisch gelernt. Wenn man ihn auf Spanisch anspricht, kommt sofort die passende Antwort.
Das trifft sich gut, Spanisch-Könner gibt es auch unter den OVB-Reportern. „Cómo se llama este cuadro?“ Wie das Bild da heißt, wollen die Heimatzeitungen wissen. „La ola azul“, die blaue Welle, kontert Moritz. „Y su cuadro preferido?“ – sein Lieblingsbild? „Nueva York“, grinst er. New York eben. Ein Hauch von Kanarischen Inseln weht durch Amerang. Dort hat Moritz Spanisch gelernt.
Bis zum Sommer besuchte der 17-Jährige eine so genannte Partnerklasse des Gymnasiums in Grafing. Für die Oberstufe gibt es dieses Angebot nicht. Nun ist er in der Berufsschulklasse von Attl: „Da fangen wir immer mit dem Morgenkreis an. Wir arbeiten am Tisch, reden über verschiedene Themen, dann gibt es Brotzeit.“
Moritz gefällt es dort, aber in Grafing war er mitten im Ort, konnte zum Jugendtreff oder Eisessen gehen. Attl hat viel zu bieten, nur kein Stadtleben. Einige Praktika hat er schon gemacht – zwei kurze auf einem Bauernhof, ein längeres in der Montageabteilung einer Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung. Zwei Wochen lang hat er von früh bis spät in einem Münchner Café durchgehalten, wo er in der Küche eingesetzt war. Sein Vater hat ihn morgens vorbeigebracht und am Abend abgeholt. „Das war ziemlich anstrengend und ich war total müde. Spaß hat es schon gemacht, aber in die Gastronomie möchte ich nicht“, weiß Moritz.
Der Wunsch, seinen Platz im Leben zu finden, prägt sein Denken: „Ich möchte gerne arbeiten, vielleicht als Schreiner. Oder Menschen helfen.“ Auch das Thema Wohnen beschäftigt ihn. Rosenheim könnte ihm gefallen: „Da ist einiges los, man kann viel unternehmen.“
Ideal: die inklusive
Wohngemeinschaft
„Moritz möchte gerne von zu Hause ausziehen, so wie andere junge Leute auch“, sagt seine Mutter Anja Rosengart. Die 53-jährige Soziologin arbeitet unter anderem ehrenamtlich als Beauftragte für Inklusion in der Gemeinde Amerang. Deshalb findet sie das inklusive Wohnprojekt, das das Katholische Jugendsozialwerk (KJSW) in Rosenheim mit Unterstützung der OVB-Leser startet, wichtig und wie gemacht für ihren Sohn.
In dieser WG sollen jüngere Leute mit und ohne Beeinträchtigung auf Augenhöhe zusammenleben. Wer keine Beeinträchtigung hat, leistet bei seinen WG-Kollegen hin und wieder Assistenzdienste. Dafür zahlt er keine Miete. Hauptamtliche Betreuer kommen bei Bedarf vorbei und unterstützen die inklusive WG, leben aber nicht dort. Die WG, so der Plan, organisiert sich ja weitgehend selbst.
Moritz nickt, das klingt gut in seinen Ohren. Anja Rosengart hofft, dass er genau so einen Platz findet. Doch jetzt gibt es bei der Familie Rosengart erst einmal „la cena“ – das Abendessen. Beim Vorbereiten helfen alle Burschen mit. Moritz schnappt sich einen Stapel Teller und fängt an, den Tisch zu decken: „Uno, dos, tres, cuatro, cinco.“ Keine Frage: Eine Künstlerseele, die so beherzt zupackt, ist ein Gewinn für jede WG.
Na dann „Hasta la vista“, Moritz – auf ein baldiges Wiedersehen in Rosenheim!
www.ovb-online.de/
weihnachtsaktion
Überweisungsträger für die OVB-Aktion liegen heute bei.