Bröckelnde Symbiose

von Redaktion

Tausende Landwirte demonstrieren in Seeon-Seebruck gegen die aktuelle Agrarpolitik

Seeon-Seebruck – Ein junger Bub strampelt in seinem Spielzeugbulldog über das nasse Gras vor dem Kloster Seeon. An seinem Gefährt haben seine Eltern ein Schild angebracht. „Auch ich will noch Bauer werden“, ist darauf zu lesen. Die echten Traktoren stehen in seinem Rücken: Kilometerlang reiht sich Schlepper an Schlepper entlang der Zufahrtsstraße zur ehemaligen Benediktinerabtei.

Tausende Landwirte sind dem Aufruf der Protestbewegung „Land schafft Verbindung“ gefolgt und nach Seeon gekommen. Die Polizei spricht von über 2000 Teilnehmern und 1000 Traktoren. Sie wollen ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, dass sie mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind. Adressat sind die Politiker der CSU-Landesgruppe, die sich am Dreikönigstag in Seeon zur Klausur getroffen haben.

„Gewünschtes Bauernsterben“

Lange galten die Christsozialen als der politische Arm der Bauern. Doch diese Symbiose bröckelt, das Vertrauen vieler Landwirte in ihre Vertreter ist nach der Annahme des Artenschutz-Volksbegehrens und neuen Vorgaben aus Berlin und Brüssel geschwunden. CSU, das stehe nur noch für „politisch gewünschtes Bauernsterben“, heißt es auf einem Plakat. Am Ufer des Klostersees haben die Demonstranten grüne Holzkreuze aufgestellt, wie sie zuletzt deutschlandweit auf den Äckern zu sehen waren.

Besonders die Verschärfung der Düngeverordnung lässt den Blutdruck der Bauern steigen. Denn um in Gebieten mit zu hoher Nitratbelastung im Grundwasser für eine Verbesserung zu sorgen, sollen künftig weitere Einschränkungen beim Ausbringen von Gülle gelten. Zuletzt ging ein Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums an die Verbände. „Diesen Entwurf lehnen wir komplett ab, weil er in der Praxis nicht umzusetzen ist“, sagt der fränkische Landwirt Claus Hochrein, der in Seeon auf einem zur Bühne umfunktionierten Anhänger spricht.

Plötzlich wird es eng dort oben. Denn eine Gruppe von CSU-Abgeordneten ist zu den Demonstranten gekommen. Darunter Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Ministerpräsident Markus Söder. Es ist der Versuch, den Riss mit der einstigen Kernklientel zu kitten. „Die Stimmungsmache gegen die Landwirtschaft ist ungehörig“, ruft Dobrindt. „Wir brauchen nicht nur Worte, sondern endlich Taten“, hallt es ihm aus der Menge entgegen. Dazu Kopfschütteln, Pfiffe.

Ein weiterer Kritikpunkt der Bauern: Im Internet kursiert ein Video, in dem Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast davon spricht, dass Deutschland nur die auffälligsten Nitrat-Messwerte nach Brüssel gemeldet hätte. „Wie können wir dafür verantwortlich gemacht werden?“, fragt Sebastian Dickow, Landwirt aus Niederbayern. Otte-Kinast sagte später zwar, sie habe sich versehentlich auf das Vorgehen aus dem Jahr 2012 bezogen. Doch Söder stellt klar: „Wir werden das Thema Messstellen komplett neu aufrollen.“

Dauerhafter Ausschuss

Er kritisiert auch anhaltende Reibereien in der Verwaltung und kündigt einen dauerhaften Ausschuss an, um die Zusammenarbeit zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zu verbessern. Zu dem umstrittenen Referentenentwurf sagt Söder: „Vieles, was da drinsteht, geht an der fachlichen Praxis vorbei. Das müssen wir ändern.“ Am Ende erhält er vorsichtigen Applaus.

Als die CSU-Politiker am Nachmittag mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor die Presse treten – die in Sachen Landwirtschaft die Bedeutung des Bodenschutzes betont –, haben sich die Reihen unter den Demonstranten gelichtet. Trotzdem entzünden die Bauern noch ein Mahnfeuer. Ihr Ziel haben sie erreicht. „Die Politiker sind mittlerweile genervt von uns“, sagt Dickow. „Das ist ein gutes Zeichen. So werden unsere Anliegen gehört.“ Und die nächste Traktor-Demo steht schon im Terminkalender. Am 17. Januar – in Söders Heimatstadt Nürnberg.

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