„Deutlicher positionieren“

von Redaktion

Carsten Linnemann (CDU) stellt sich Fragen der OVB-Leser

Rosenheim – Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, besuchte kürzlich die OVB-Heimatzeitungen für ein Redaktionsgespräch. Vor diesem Hintergrund haben wir Fragen von OVB-Lesern gesammelt, um sie dem 42-jährigen CDU-Politiker aus Paderborn zu stellen. Für das folgende Interview haben wir eine Auswahl getroffen:

Hans Seidl, Kolbermoor: Warum sind nicht alle Berufstätigen, also zum Beispiel auch Beamte, gesetzlich verpflichtet, in die Rentenversicherung einzuzahlen?

Wichtig ist vor allem, dass alle Berufstätigen vorsorgen und nicht so sehr, in welchem System. Die einzige Gruppe, für die bislang keine Pflicht zur Vorsorge besteht, sind Selbstständige. Das werden wir demnächst ändern. Was die Beamten angeht, müssen wir meines Erachtens noch einen Schritt eher ansetzen und die Frage stellen, wer überhaupt den Beamtenstatus bekommen sollte. Das sollte für hoheitliche Aufgaben vorbehalten sein, also zum Beispiel an Gerichten, im Finanzamt oder bei der Polizei. Diese Beschäftigten müssen hochgradig unabhängig sein. In der Verwaltung sehe ich diese Notwendigkeit sehr oft nicht.

Elisabeth Seidl, Kolbermoor: Warum sind für den Rentenbeginn nicht die Arbeitsjahre entscheidend, sondern das Alter?

Weil man für bestimmte Berufe eine sehr lange Ausbildung braucht. Die sollten wir dafür nicht bestrafen. Unser System spiegelt aber trotzdem die Länge des Arbeitslebens wider: Wer mehr eingezahlt hat, bekommt mehr raus. Ich wäre sehr dafür, dass wir längeres Arbeiten attraktiver machen. Wir haben in Deutschland immer noch das Verständnis, es geht bei der Karriere irgendwann mal unvermittelt von Hundert auf Null, und das ist Quatsch.

Gert Hilger, Waldkraiburg: Wie beurteilen Sie den Erfolg der Privatisierung von einst staatlichen Dienstleistungen?

Wenn ich mir ansehe, was aus der Post geworden ist, dann war das bitter nötig. Nun haben wir einen echten Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt, von dem die Bürger bei jedem Telefonat profitieren. Bei der Bahn haben wir die Situation, dass der Wettbewerb fehlt, und das macht sich bei den Leistungen bemerkbar.

Hans Köck, Wasserburg: Warum soll die künftige Transaktionssteuer den kleinen Aktiensparer treffen, aber nicht die Hedgefonds mit ihrem Hochfrequenzhandel?

Diese Frage kann ich verstehen und man muss sie dem Bundesfinanzminister stellen. Es ist eine Farce, die großen Spekulanten außen vor zu lassen. Wenn, dann alle oder keiner. Wir arbeiten in der CDU/CSU-Fraktion daran, den Bundesfinanzminister zu stoppen.

Heinz Brecht, Söchtenau: Es wird derzeit viel über das Thema Kohlendioxidvermeidung diskutiert. Dabei geht es auch um Maßnahmen, die letztlich auf eine Deindustrialisierung Deutschlands hinauslaufen. Wie stehen Sie dazu?

Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt kein anderes Land als Deutschland, das gleichzeitig aus der Kohle- und Atomenergie aussteigt und so abhängig von der Industrie ist. Künftig sind neue Technologien gefragt, die wir entwickeln und liefern können. Wir müssen bei der Klimapolitik nicht Vorreiter, sondern Vorbild sein. Ich halte zudem eine Ausweitung des EU-Emissionshandels für den besten Weg, um nachhaltig Klimapolitik zu betreiben. Wir müssen vernünftige Entscheidungen treffen, die klimarelevant sind. Da wundere ich mich über manche Debatte, die in Deutschland geführt wird.

Helmut Laux, Kolbermoor: Man hat den Eindruck, dass die Große Koalition sich eher dahinschleppt als regiert und vor allem SPD-Politik macht. Wie beurteilen Sie das?

Die SPD hat diese Große Koalition nicht gewollt und die CDU/CSU in großen Teilen auch nicht. Wir wollten eine Koalition mit der FDP und den Grünen. Nach dem Rückzug der FDP musste mit heißer Nadel ein Koalitionsvertrag gestrickt werden. Ich stimme zu, dass wir mehr Dynamik brauchen. Frische Luft und mehr Ideen. Beide Parteien bereiten sich schon auf die nächste Bundestagswahl vor, das ist nachvollziehbar, aber das darf nicht zulasten der Regierungsarbeit gehen. Dass wir vor allem SPD-Politik machen würden, stimmt definitiv nicht. Aber wir müssen uns als Union deutlicher positionieren und darauf verweisen, was wir durchgesetzt haben.

Manfred Greimel, Buchbach: Wie beurteilen Sie die Arbeit von Angela Merkel, die nach wie vor zu den beliebtesten Politikern in Deutschland zählt?

Die Union hat in den vergangenen 15 Jahren von ihr als Kanzlerin profitiert. Wir haben aber den Fehler gemacht, dass wir uns zu sehr auf ihre Person konzentriert haben. Dabei haben wir die Unterscheidbarkeit zu den anderen Parteien in der Sache vernachlässigt. Die Strategie war einerseits erfolgreich, aber andererseits politisch fatal, weil die Konturen verwischt sind.

Richard Eder, Stephanskirchen: Ihr Vorschlag aus dem vergangenen Sommer, Kinder mit Migrationshintergrund nur dann einzuschulen, wenn sie gut genug Deutsch sprechen, hat für viel Wirbel gesorgt. Es hieß, Sie würden ausländische Kinder ausgrenzen. Wie stehen Sie inzwischen zu dem Thema?

Ich stehe nach wie vor zu dem, was ich gesagt habe. Ich halte eine verpflichtende Vorschule für Kinder mit Sprachdefiziten für dringend geboten. Das gilt übrigens für alle Kinder! Also unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Insofern wundere ich mich noch heute über den Shitstorm, der da losbrach. Man erwartet von uns Politikern, dass wir Klartext sprechen und sagen, was wir denken. Aber anstatt sachlich in die Debatte einzusteigen, wird dann die Rassismuskeule geschwungen. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Grenze des Sagbaren immer weiter eingeschränkt wird.

Maria Bungert, Großkarolinenfeld: Wir haben bereits das größte Parlament der Welt mit über 700 Abgeordneten und weiterer Zuwachs ist zu erwarten. Wieso wird nichts für eine Verkleinerung unternommen?

Wir brauchen in der Tat dringend eine Parlamentsreform. Ich wäre dafür, die Zahl der Parlamentarier dauerhaft auf 598 festzulegen. 299 Abgeordnete würden dann über die Erststimme nach Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen und weitere 299 über die Zweitstimme nach Verhältniswahlrecht ermittelt. Dann wäre Ruhe, Überhang- und Ausgleichsmandate würde es nicht mehr geben. Das ist ein Vorschlag von vielen. Wichtig ist, dass sich jetzt alle Parteien an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung finden. Da müssen sich dann alle bewegen. Ich bin bei dem Thema ganz guter Dinge, da im Moment viele Gespräche dazu laufen.

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