Richtig reagieren

Absagen oder abfeiern?

von Redaktion

Corona-virus Zweiter Fall in Rosenheim – Experten uneins über Events

Rosenheim/Mühldorf – Absagen oder nicht absagen, das ist angesichts der Ausbreitung des Corona-Virus die Frage für viele Veranstalter in der Region. Ob Starkbierfeste oder Sportveranstaltungen – Großveranstaltungen stehen auf dem Prüfstand. Zumal das bayerische Gesundheitsministerium gestern Abend einen zweiten Corona-Virus-Fall im Landkreis Rosenheim bestätigt hat. Zudem hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Nachmittag empfohlen, alle Veranstaltungen mit über 1000 Besuchern abzusagen.

Bislang gab es in den Landkreisen Rosenheim und Mühldorf kaum Absagen. So haben beispielsweise sowohl die Veranstalter in Rosenheim wie auch in Haag erklärt, ihre Starkbierfeste stattfinden zu lassen. Ob sich nach Spahns Vorstoß daran nun etwas ändern wird? „Wir haben uns mit Auerbräu darauf verständigt, zunächst keine Presseanfragen dazu zu beantworten“, teilte ein Mitarbeiter des Unternehmens Inngastro, Betreiber der Rosenheimer Inntalhalle, gestern Nachmittag gegenüber den OVB-Heimatzeitungen mit. Ein Sprecher der Brauerei war nicht zu erreichen.

Starbulls sprechen
mit den Behörden

Die Starbulls Rosenheim, die am Sonntagabend die Blue Devils Weiden im Rofa- Stadion empfangen haben, wollen sich heute intensiv mit Spahns Empfehlung auseinandersetzen, wie Starbulls-Vorsitzender Marcus Thaller erklärte: „Wir werden Kontakt mit den Behörden aufnehmen und das weitere Vorgehen ausführlich besprechen.“ Sollte letztlich eine Entscheidung fallen, die nächsten Spiele ohne Besucher auszutragen, „müssen wir damit leben“. Thaller: „Die Spiele zu verschieben, lässt der Zeitplan gar nicht zu.“

Für Veranstalter ist die Planung von Festen und anderen Ereignissen derzeit eine Gratwanderung. Thomas Frank, Braumeister und Geschäftsführer von Auerbräu, zeigte sich am Freitag beim Anstich des Rosenheimer Starkbierfestes noch erfreut und erleichtert. Er sprach von einer „turbulenten Woche“. In der Diskussion über eine mögliche Absage sei es hin und her gegangen. Die Einschätzung des Gesundheitsamtes sei alles andere als klar gewesen. „Wir haben uns nach sorgfältiger Abwägung für die Durchführung entschieden.“

Das Gesundheitsamt habe bei gemeinsamen Besprechungen unter anderem auch mit dem Ordnungsamt der Stadt Rosenheim von einer „Risikoveranstaltung“ gesprochen, sagte dagegen der Leiter des Amtes, Dr. Wolfgang Hierl, auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen. „Wir hatten am 3. März empfohlen, das Fest nicht abzuhalten.“

„Wir warten ab und
beobachten die Lage“

Wie Thomas Frank entschieden andere Veranstalter von Starkbierfesten, etwa in Haag. So ging am Freitag beispielsweise der Verein „Ornauer Buam“ aus Obertaufkirchen davon aus, dass er sein Starkbierfest am Samstag, 14. März, durchziehen kann. „Wir gehen fest davon aus, dass wir das Fest machen“, sagte der Vorsitzende Josef Müller.

Auch andere Organisatoren halten sich bereit. „Wir warten ab und beobachten die Lage genau“, sagte Alexander Schungl vom Wissensforum am 27. März im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum. „Solange Großveranstaltungen wie in der Allianz-Arena oder bei den Starbulls stattfinden, sehen wir nicht ein, warum wir etwa das Wissensforum nicht ausrichten sollen. Es gibt noch keine verbindliche Entscheidung der Politik.“

Die Meinung von Ärzten in der Region ist gespalten. Petra Jas aus Rosenheim etwa rät zur Zurückhaltung. „Ich würde versuchen, Großveranstaltungen zumindest in den nächsten 14 Tagen zu vermeiden, um das Risiko rauszunehmen. Die Situation ist noch nicht klar. Wir können noch nicht abschätzen, wie viele Fälle es wirklich gibt.“ Außerdem gelte: Wenn es wärmer wird, ist das Risiko wieder geringer.

Joachim Schöngut, Allgemeinarzt am MVZ Isental, sieht dagegen im freudlosen Verzicht seinerseits einen Risikofaktor: „Wenn ich mir die Freude nehme, dann schwäche ich auch meine Abwehr.“ Gegen große Grippeepidemien habe man im Übrigen bislang auch nichts unternommen. „Nach bisherigen Erkenntnissen sind vor allem vorerkrankte Menschen gefährdet.“ Wenn man lediglich zusammensitze und einander „nicht gegenseitig anniest“, könne nicht viel passieren. Der Arzt Gerd Wiechert aus Rosenheim nimmt einen anderen Standpunkt ein: „Ich bin kein Freund von Großveranstaltungen, ich würde aber auch sonst derzeit nirgendwo hingehen.“

Fachleute befürchten weitere Ausbreitung

Fachleute wie der Kassenarztpräsident Andreas Gassen gehen davon aus, dass sich ein Großteil der Bevölkerung anstecken wird, bevor die Ausbreitung zu einem wirklichen Halt kommt. „Das mag für den Laien schockierend wirken, ist aber nüchtern betrachtet nichts Bedrohliches: Es gibt Viren, die praktisch jeden mindestens einmal befallen. Zum Beispiel Herpes und Influenza.“

Panik könnte schlimmeren Schaden anrichten als die Krankheit selbst, warnt Dr. Thomas Geppert, Bezirksvorsitzender der Mittelstands-Union Oberbayern (MU Oberbayern). Selbstverständlich müsse Gesundheit immer höchste Priorität haben, sagt der Bad Aiblinger laut Pressemitteilung. „Genauso selbstverständlich sollten aber alle zu treffenden Maßnahmen aufeinander abgestimmt sein.“

Wenn das Robert Koch-Institut beispielsweise die Situation in Südtirol mit der in Wuhan gleichsetze, sei es eine Frage der Zeit, bis das nur 50 Kilometer entfernte Oberbayern ebenfalls als Risikogebiet eingestuft wird. „Die dann von den Behörden zu treffenden Maßnahmen hätten existenzbedrohende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Es drohen Insolvenzen, Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Schäden in noch nicht absehbaren Dimensionen.“

Kein Besuch von Schule und Kita

Die bayerische Staatsregierung hat jetzt beschlossen, dass Kinder und Jugendliche, die sich jüngst in einem Risikogebiet wie beispielsweise Südtirol aufgehalten haben, nach ihrer Rückkehr zwei Wochen lang der Schule und anderer Betreuungseinrichtungen wie Kindergarten oder -krippe fernbleiben müssen. Auch die staatlichen Schulämter der Region (www.schulamt-rosenheim.de, www.schulamt-muehldorf.de) informieren über diese Allgemeinverfügung auf ihrer Internetseite. So rät das Rosenheimer Schulamt Betroffenen, sich mit der Schule in Verbindung zu setzen und verweist darauf, dass betroffene Schüler, die trotzdem zum Unterricht kommen, „nicht betreut“ und nach Hause geschickt werden. Auch die Schuleinschreibung direkt in der Schule ist bei Kindern, die in einem Risikogebiet waren, Kontakt zu einem Corona-Erkrankten hatten oder selbst erkrankt sind, derzeit nach Angaben des Schulamtes nicht möglich. Auch hier sollen sich die Erziehungsberechtigten telefonisch mit der jeweiligen Schule in Verbindung setzen.

116117 statt gleich zum Arzt

Wer Symptome wie Husten und Fieber feststellt und annehmen muss, dass er Kontakt mit Menschen aus Risikogebieten gehabt oder sich selbst in Risikogebieten aufgehalten hat, der möge die Telefonnummer 116117 anrufen. Dort enthält er weitere Infos. Nach Auskunft des Kassenärztlichen Verbandes gibt es auch für die Regionen Rosenheim und Mühldorf einen mobilen Dienst, der mögliche Patienten zu Hause besucht und gegebenenfalls Tests vornimmt. Das Gesundheitsministerium rät bei Coronaverdacht davon ab, Ärzte ohne telefonische Rücksprache aufzusuchen.

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