Rosenheim – „Das ist eine Existenzfrage für alle Gastronomen, für manche mehr, für andere weniger. Die Lage ist insgesamt sehr schwierig“, sagt Theresa Albrecht, Kreisvorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes nach der Ausrufung des Katastrophenfalls durch die bayerische Regierung.
Wie Ministerpräsident Markus Söder am Montagvormittag bekannt gab, dürfen Restaurants und Gaststätten vorerst nur noch von 6 bis 15 Uhr geöffnet haben. Maximal 30 Personen sind in den Gasträumen erlaubt, außerdem muss zwischen ihnen ein Abstand von je 1,5 Metern eingehalten werden.
Dramatische Auswirkungen
„Das wird dramatische Auswirkungen für uns Betreiber haben“, befürchtet Albrecht. „80 Prozent der bayerischen Gaststätten sind Klein- und Mittelbetriebe, die gegen solche Ausfälle überhaupt nicht versichert sind“, sagt die Inhaberin des Gasthofes mit angeschlossener Metzgerei „Hotel zur Post“ in Rohrdorf: „Wir haben schon sehr viele Stornierungen von Veranstaltungen erhalten. Die Metzgerei soll zwar für den normalen Betrieb offen gehalten werden, aber die Gaststätte könnte man eigentlich schließen.“
Die Unsicherheit sei groß: „Jeder Tag ist anders, es gibt immer wieder Veränderungen. Für uns als Betroffene ist das sehr belastend und schlimm.“ Albrecht appelliert an die bayerische Regierung, an die Gastronomiebetriebe zu denken und sich zu kümmern: „Ich wünsche mir, dass kulant mit unserer Branche umgegangen wird.“
Auch Marisa Steegmüller, Geschäftsführerin der Flötzinger Brauerei, beobachtet die Entwicklungen durch die Ausbreitung des Coronavirus besorgt. „Ich sehe die Coronakrise wie eine Wirtschaftskrise. Da ziehe ich die Politik zur Verantwortung. Sie sollte mehr für die Wirte tun, da die ganze Situation für viele existenzbedrohend ist.“ Die Bierproduktion sei zunächst trotz allem gesichert. „Die Brauerei und natürlich in erster Linie die Mitarbeiter sollen geschützt werden. Deshalb gibt es keine Brauereiführungen mehr und es kommt niemand mehr rein, der sich dort nicht unbedingt aufhalten muss“, so Steegmüller.
Aus Starkbier soll Bierschnaps werden
Die Löhne und Gehälter würden weiterlaufen. Der wirtschaftliche Schaden durch die vielen Ausfälle von Festen, wie zum Beispiel das Starkbierfest in Raubling, und durch die Ausfälle in den Gaststätten, sind groß. „Da müssen wir schauen, wie und vor allem wie lange wir das überbrücken können. Der wirtschaftliche Aspekt macht einem große Sorgen.“ Das Starkbier, das bereits gebraut wurde und wegen des abgesagten Starkbierfestes nicht mehr ausgeschenkt werden kann, wird weiterverwendet. „Daraus soll Bierschnaps gebraut werden“, erklärt Steegmüller.
Einige Betriebe in der Region haben sich kreative Lösungen überlegt, um dem Verdienstausfall entgegenzuwirken. Der Wirt des Stechl-Kellers in Wasserburg, Peter Fichter, schließt sein Lokal ganz und setzt bis auf Weiteres auf Lieferservice. In der Küche werde gekocht, das Essen dann in Boxen gepackt und anschließend zu den Kunden ausgefahren. Alternativ können diese ihre Bestellungen am Fenster der Gaststätte abholen.
Ähnlich macht es die Hofbäckerei Steingraber in Feldkirchen-Westerham. „Bis 16 Uhr können die Leute täglich ihre Bestellung aufgeben, per Telefon oder E-Mail. Am nächsten Morgen bringt ein Fahrer die Backwaren zu ihnen an die Haustür. Bezahlt wird beim Fahrer oder per Überweisung“, erläutert Bäckereichef Florian Steffl. „Ältere Mitbürger oder auch diejenigen, die das Haus nicht verlassen möchten, kommen so an ofenwarme Semmeln und Brezen.“
Frische Gerichte wird es auch weiterhin in den Restaurants und Cafés von Giuseppe Tedesco geben. Der Italiener betreibt insgesamt vier Lokale, darunter zwei Restaurants in Rosenheim und Kolbermoor, ein Café und neuerdings auch die „Kunstmühle Giuseppe e amici“. Der Wirt zeigt sich kämpferisch. „Die Menschheit hat schon viel größere Krisen überstanden, da werden wir uns von dieser Situation auch nicht unterkriegen lassen.“
Gerichte auch
zum Mitnehmen
Die Mitarbeiter haben für ihn oberste Priorität. „Wir werden niemanden ausstellen, aber sicherlich Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Meine Angestellten betrachte ich als meine Freunde, die haben auch alle Familien, die sie ernähren und Mieten, die sie zahlen müssen.“
In seinen Restaurants herrschen ab sofort Öffnungszeiten von 11.30 bis 15 Uhr, in den Cafés von 9 bis 15 Uhr. Zusätzlich, erklärt der Chef, wird er ein „To-go-Geschäft“ aufziehen. „Von 17 bis 21 Uhr gibt es alle Gerichte nur zum Mitnehmen.“ Vor den wirtschaftlichen Einbußen hat Tedesco keine Angst. „‘Giuseppe e amici‘ gibt es jetzt schon seit 13 Jahren, Corona überstehen wir auch noch. Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand“, meint er.
Nicht ganz so optimistisch zeigt sich der Geschäftsführer der Inn-Gastro, Andreas Schmidt. „Die Coronakrise bedeutet für die gesamte Veranstaltungsbranche quasi ein Berufsverbot“, findet er. Sie habe auch für seine Firma fatale Folgen. „Das Kuko und die Inntalhalle sind als zwei zentrale Säulen unseres Geschäfts schon weggebrochen. Das Catering für Kindergärten, das wir betreiben, wird nun auch ausgesetzt.“
Die Konsequenzen für sein Unternehmen sind drastisch: Es habe zuvor eine tolle Auftragslage gegeben, so Schmidt. Jetzt sei das Geschäft von heute auf morgen auf null Euro Umsatz heruntergefahren worden. „Aber zum Glück haben wir ein gesundes Unternehmen und durch kluges Haushalten eine gesunde Liquidität.“ Bis Mai seien jetzt erst einmal alle Veranstaltungen abgesagt worden. „Das ist für die Inn-Gastro sowie für Prinzipal für zwei bis drei Monate nicht existenzbedrohend, aber darüber hinaus schon. Vor allem, wenn auch kein Herbstfest stattfinden würde.“
Schmidt hofft, dass diese „schwierigen Zeiten“ mit Kurzarbeit und Überstundenabbau so gut wie möglich überbrückt werden können. Außerdem zeigt er sich kulant gegenüber Auftraggebern. „In der momentanen Situation muss man solidarisch sein und auf Stornogebühren so weit wie möglich verzichten.“
Genauso verfährt auch Lorenz Hilger, Chef des Gasthofs Hirzinger in Söllhuben. Sämtliche Hochzeiten, Geburtstagsfeiern sowie Tagungen im März und April seien abgesagt worden. „Ich verlange keine Stornogebühren, weil ich das den Leuten jetzt zu allem anderen nicht auch noch antun möchte“, sagt Hilger. Es sei eine Katastrophe: „Die Kosten laufen weiter, aber es gibt keine Einnahmen.“ Um die Mitarbeiter zu schützen, habe er sie freigestellt, arbeitet nur noch mit wenigen Angestellten. „Ein Teil hat Urlaub genommen, ein Teil hat sich krankschreiben lassen. Es wird hart. Keiner weiß, wo es hingeht, und wir sind machtlos dagegen.“
„Ruhe bewahren und nach vorne schauen“
Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Rosenheim-Oberbayern hat sich im Zuge der Krise eingeschaltet. Sie ruft den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dazu auf, per Tarifvertrag eine deutliche Aufstockung des Kurzarbeitergelds für die Branche auf den Weg zu bringen. Ziel müsse sein, die Einbußen für die Beschäftigten so gering wie möglich zu halten.
Mit dem Einsatz von Kurzarbeit und dem Motto „Ruhe bewahren und nach vorne schauen“ geht Hausdirektor Gerhard Braun im Golf Resort Achental in Grassau durch die Coronakrise. Da touristische Übernachtungen und Weiterbildungen von Firmen nicht mehr erlaubt sind, sei im Hotel wenig los.
„Wir werden das Kind schon schaukeln, auch wenn es schwer wird“, meint Braun. Mitarbeiter würden keine ausgestellt werden. „Wenn wir zusammenhalten, dann werden wir das gemeinsam durchstehen. Wichtig ist nur, sich daran zu erinnern, dass es auch noch ein Leben nach der Krise gibt, das ist die eigentliche Schwierigkeit.“
Auswirkungen
auf Jahre hinaus?
Die Geschäftsführerin des Chiemsee Alpenland Tourismusverbandes, Christina Pfaffinger, glaubt, dass das Coronavirus Auswirkungen haben wird, mit denen die Region noch einige Jahre zu kämpfen hat. „Die Situation ist hochdramatisch.“