Bewährung wohl ausgeschlossen

von Redaktion

Strafmaß ausgelotet – Sozialkassen angeblich um 1,45 Millionen Euro betrogen

Traunstein/Rosenheim – Selbst wenn ein Teil der Vorwürfe – es geht um Leistungsbetrug von fast 1,45 Millionen Euro an drei Sozialkassen – wegen Verjährung oder aus anderen Gründen eingestellt würde, wird ein 52-Jähriger aus Bad Reichenhall mit Baufirma in Rosenheim wohl nicht mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Das verdeutlichte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs am zwölften Verhandlungstag. Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim hatte einen erneuten Vorstoß unternommen, seinen bislang schweigenden Mandanten vor dem Gefängnis zu bewahren.

In dem seit Mitte Oktober laufenden Verfahren werfen die Staatsanwälte Linda Arnotfalvy und Alexander Foff dem Angeklagten vor, für Beschäftigte seiner Baufirma zwischen 2010 und 2016 keine Sozialbeiträge abgeführt zu haben. Die Mitarbeiter sollen zum Teil regulär bezahlt worden sein, einen weiteren Teil des Lohns aber bar aus einer „schwarzen Kasse“ erhalten haben, die ihr Chef mittels Scheinrechnungen von obskuren Firmen gefüllt haben soll.

Lediglich einer seiner früheren Arbeiter hat diese kriminelle Praxis im Zeugenstand bestätigt. Dutzende weiterer Zeugen hatten sich nichtsahnend gegeben, teils sogar behauptet, die in separaten Listen fixierten tatsächlich geleisteten Stunden mit erheblichen Abweichungen vom offiziellen Lohnzettel hätten sie entweder „freiwillig“ oder überhaupt ohne Kenntnis ihrerseits gearbeitet.

Neben häufig schon rechtskräftigen Urteilen aus Steuerverfahren und aus Strafverfahren wegen Betrugs am Arbeitsamt durch erschwindelte Leistungen in angeblichen Zeiten der Arbeitslosigkeit bekamen viele dieser Zeugen in den letzten Monaten Post von der Staatsanwaltschaft – wegen Verdachts auf Falschaussage.

Auch unter Bezug auf die „hohe Ansteckungsgefahr durch Corona in Bayern“ verweigerten gestern zwei Zeugen aus Berlin die Anreise. Co-Verteidiger Ralph Botor aus Rosenheim musste seine Präsenz wegen eines Verdachtsfalls in seiner Umgebung absagen. Dr. Markus Frank nutzte die Gelegenheit, nochmals eine Verständigung mit den Staatsanwälten und dem Gericht hinsichtlich der Strafhöhe anzuregen.

Am nächsten Prozesstag, Freitag, 3. April, wird sich möglicherweise entscheiden, ob das Verfahren mit zahllosen Beweisanträgen der Verteidigung, davon gestern weitere acht neue, noch Monate weitergeht oder ob sich eine Einigung hinsichtlich des Strafmaßes abzeichnet – „als Gnadenentscheidung in Zeiten von Corona“, wie der Vorsitzende Richter meinte.

Einer der neuen Beweisanträge des Verteidigers galt einem Unternehmer aus Rosenheim, der – wie an die 20 oft nur sehr kurzlebige Firmen in Berlin – für die erforderlichen Scheinrechnungen gesorgt haben soll.

Zeuge wird
nochmals vorgeladen

Dr. Frank kündigte an, der Zeuge, der in seiner ersten Vernehmung in dem jetzigen Verfahren vor der Zweiten Strafkammer die Aussage verweigert hatte, sei zwischenzeitlich bereit, mit einem Rechtsbeistand zu kommen und Angaben zu machen. Das bezweifelte Staatsanwalt Alexander Foff. Gegen den Mann sei inzwischen ein Strafverfahren eingeleitet worden – bei dem er wiederum nichts gesagt habe. Der Zeuge wird nochmals für 3. April vorgeladen.

Der achte Beweisantrag der Verteidigung galt einer neuerlichen Schadensberechnung, etwa unter dem Aspekt der Verjährung. Den der Anklage zugrunde liegenden Schadensbetrag hatten Fachleute des Hauptzollamts Rosenheim ermittelt. Die Hauptverhandlung müsse ausgesetzt werden, forderte Dr. Markus Frank. Entscheiden wird die Kammer darüber am 3. April.

Der Vorsitzende Richter warf gestern mit einem „Täter-Opfer-Ausgleich“ an den geschädigten Kassen in Form von Schadenswiedergutmachung eine andere zentrale Frage dieses langwierigen Verfahrens auf. Der Angeklagte ließ seinen Verteidiger anhand vorhandener Vermögenswerte erklären: „Wir würden uns bemühen.“

Abschließend hob Kammervorsitzender Erich Fuchs heraus: „Selbst wenn wir auf einen Schaden von nur 800000 Euro kämen, ist ohne Geständnis nicht mit einer Bewährungsstrafe zu rechnen. Auch bei einem Geständnis muss angesichts der Rechtsprechung und im Vergleich zu anderen Fällen eine Haftstrafe herauskommen.“ Die Kammer habe zu prüfen, ob es sich über mehrere Jahre hinweg um Scheinwerkverträge gehandelt habe. Dann sei der Angeklagte Arbeitgeber gewesen: „Und dann weiß er auch, dass Sozialbeiträge entrichtet werden müssen.“

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