Zahnschmerzen in Corona-Zeiten

von Redaktion

Die Corona-Krise trifft auch Zahnärzte hart. Viele Praxen im Landkreis haben geschlossen oder ihren Betrieb auf Notbehandlungen beschränkt. Hohe finanzielle Einbußen drohen. Zudem werden Zahnärzte bei der Verteilung von Schutzkleidung als nachrangig eingestuft.

Rosenheim – Wer in Zeiten von Corona Zahnschmerzen hat, muss sich keine Sorgen machen: Notfallpatienten werden weiterhin behandelt. Jeder Zahnarzt, der über eine Kassenzulassung verfügt, hat auch dieser Tage einen Sicherstellungsauftrag. Das heißt: Zahnärzte müssen weiterhin für ihre Patienten da sein.

Ansteckungsgefahr
für Ärzte höher

„Unsere Patienten können sich sicher fühlen, da wir als Zahnärzte ohnehin unter den höchsten Sicherheitsstandards arbeiten“, sagt Zahnärztin Dr. Claudia Michl, die in Kolbermoor ihre Praxis „DentoDoc“ betreibt. Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, sei umgekehrt, also für behandelnde Zahnärzte und deren Mitarbeiter höher als für Patienten. Dennoch würden Zahnärzte bei der Verteilung von Schutzkleidung als „nachrangig“ eingestuft. Hinzu kommen ein starker Patientenrückgang und damit auch enorme finanzielle Einbußen.

Trotz hoher Sicherheitsstandards sei eine Ansteckung mit dem Coronavirus für Ärzte und deren Angestellte nicht ausgeschlossen, sagt Claudia Michl. Gearbeitet werde zwar mit Handschuhen und Mundschutz, Behandlungsinstrumente werden stets desinfiziert. Doch die Gefahr drohe den Praxismitarbeitern durch sogenannte Aerosole. Das sind feine Sprühnebel, die zum Beispiel bei der Zahnreinigung oder beim Bohren durch die entsprechenden Geräte entstehen. In diesen Aerosol-Wölkchen könnten sich Viren besonders gut halten und über die Luft verbreiten. „Ärzte, die mit Mundschutz an die Patienten herantreten, schützen diese vor einer Tröpfchen-Übertragung. Andersherum sind Zahnärzte jedoch den Aerosolen, die aus den Mündern der Patienten strömen, stärker ausgesetzt.“

Mediziner fühlen
sich im Stich gelassen

Claudia Michl wandte sich mit einem Hilferuf an die OVB-Heimatzeitungen. Sie und zahlreiche Zahnärzte fühlen sich in der aktuellen Situation im Stich gelassen. Zunächst habe es keine finanziellen Hilfen für Zahnärzte gegeben, dann seien diese auch bei der Verteilung der Schutzkleidung benachteiligt worden. Denn laut Bayerischem Gesundheitsministerium verteilt die zuständige Kreisverwaltung – also das Landratsamt – die Schutzkleidung (FFP2-Mundschutz, Schutzkleidung und Handschuhe) nach medizinischer Notwenigkeit an die Bedarfsträger. Vorrangig geht die Schutzausrüstung an Krankenhäuser, niedergelassene Hausärzte, den öffentlichen Gesundheitsdienst, Patientenfahrdienste, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie Altenheime. Nachrangig beliefert werden Zahnärzte, Hebammen, Bestatter, Sanitätshäuser und Heilmittelerbringer, heißt es aus dem Ministerium.

Landesweit haben Zahnärzte Kritik an der aktuellen Situation geäußert. Schließlich arbeiten Zahnärzte sehr nah am Patienten. Ein Mindestabstand von 1,5 Metern sei nicht einzuhalten. „Ich habe alle aufschiebbaren Behandlungen aufgeschoben“, berichtet Claudia Michl.

Mangel an
Schutzkleidung

Auch Dr. Rolf-Jürgen Löffler öffnet seine Praxis am Schloßberg bei Stephanskirchen nur noch eine Stunde pro Tag für Notfallbehandlungen. „Wir Zahnärzte waren zunächst komplett außen vor. In der Tat leiden wir alle unter dem Mangel entsprechender Schutzkleidung“, berichtet der Zahnarzt. Sie seien von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) aufgefordert worden, sich auf Notfallbehandlungen zu beschränken, soweit eine Gefährdung ihres Personals ausgeschlossen werden kann.

Seitdem hätten sich zahlreiche Kollegen an die KZVB gewandt, berichtet Pressesprecher Leo Hofmeier. Allerdings gäbe es regional viele Unterschiede: Vor allem im ländlichen Raum hätten auch Zahnärzte Schutzkleidung erhalten. „In Nürnberg und München ist die Lage angespannter.“

Damit auch Zahnärzte als Bedarfsträger berücksichtigt werden, hat die KZVB die bayerischen Zahnärzte dazu angehalten, einen Notdienst unter der Woche einzurichten. 2000 der rund 8000 Praxen in Bayern sind dabei. Auch Claudia Michl nimmt mit ihrer Praxis am Notfall-dienst unter der Woche teil. Allerdings habe auch sie ihre Sprechzeiten stark reduziert. Michl und Löffler berichten, dass sie inzwischen Schutzkleidung beim Landratsamt beantragt und diese auch erhalten haben. „Allerdings hatte ich nur eine geringe Menge für etwa drei Tage geordert“, so Löffler. Auch finanziell trifft die Corona-Pandemie die Zahnärzte hart. Rund 300 der rund 8000 Zahnarztpraxen haben nach Angaben der KZVB in Bayern geschlossen. Andere überbrücken mit Urlaub.

Folgen erst
im Herbst spürbar

So auch Dr. Helmut Hefele, Obmann und Vorsitzender der Bezirksstelle Oberbayern der KZVB, mit seiner Praxis in Kolbermoor. „Wir hängen in der Luft und wissen nicht, wann es wieder normal weitergeht“, sagt er. Auch Claudia Michl macht sich Sorgen. „Die finanziellen Folgen werden erst in einigen Monaten spürbar“, sagt die Zahnärztin. Denn im März werde das Geld aus dem vierten Quartal des Jahres 2019 ausgezahlt.

In puncto finanzielle Hilfe hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn inzwischen nachgebessert und den Rettungsschirm für Zahnärzte und Therapeuten ausgeweitet. „Dieser Schritt war ein wichtiges Signal und zeigt, dass auch an diese Berufsgruppen gedacht werden muss“, sagt Claudia Michl.

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