Aschau – Über 60 Pflegeheime gibt es aktuell im Landkreis Rosenheim – zwei davon sind im Zuge der Corona-Pandemie zuletzt in die Schlagzeilen geraten: das Altenheim „St. Lukas“ in Bad Feilnbach, das aufgrund der Vielzahl an Covid-19-Fällen geräumt werden musste – und das Aschauer Pflegeheim Priental. Mitarbeiter hatten in einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, harsche Kritik an der Krisenbewältigung von Heimleitung und Behörde geäußert.
19 Tote in
kurzer Zeit
Die Vorwürfe: zu wenig Schutzausrüstung, zu lasches Handeln, Bauarbeiter im Haus trotz Besuchs- und Betretungsverbots – und nun eine ganze Reihe Todesfälle. Laut den Mitarbeitern sind zuletzt in dem Heim, Kapazität etwa 70 Betten, insgesamt 19 Bewohner verstorben. Sie mutmaßen: allesamt an Covid 19. Offiziell bestätigt sind 15 Fälle. Ein Grund für die Diskrepanz mag sein, dass im Raum Rosenheim Verstorbene „post mortem“, also nach ihrem Ableben, nicht mehr auf das Coronavirus getestet werden. Das bestätigte das Gesundheitsamt Rosenheim auf Anfrage.
Wurde zu spät gehandelt? Die Behörde, ebenso Heimaufsicht (Landratsamt) und Heimleitung weisen die Vorwürfe zurück. Die Versorgung der Bewohner sei gewährleistet. Zudem würde das Haus mit zusätzlichen Pflegekräften entlastet.
Diese Unterstützung erfahren laut Landratsamt derzeit insgesamt vier Pflegeheime in der Region. Sie bekämen zusätzliches Personal unter anderem aus einem Pflegepool sowie vom Bayerischen Roten Kreuz.
Von den Bedingungen vor Ort überzeugen sich aktuell die Führungsgruppe Katastrophenschutz sowie Vertreter von Gesundheitsamt und Heimaufsicht – und statten jedem der über 60 Heime einen Besuch ab. „Um zu sehen, wie es dort läuft“, erklärt Sprecher Michael Fischer auf Anfrage unserer Zeitung. Bis Ende dieser Woche soll diese Besuchsreihe abgeschlossen sein. Dann würde Bilanz gezogen. Eine Zwischenbilanz lehnte Fischer gestern ab. Hintergrund der Vor-Ort-Termine: abzuklären, ob Mangel bestünde und eine optimale Unterstützung.
Dass die Unterstützung durchaus unterschiedlich ausfallen kann, davon kann Kathi Zimmerer vom Heimbetreiber „Pur Vital“ mit Sitz in Stephanskirchen und Pflegeheimen in Oberaudorf (plus mobiler Pflegedienst), Bergen, Traunreut, Trostberg und Straubing berichten. „Der Landkreis Rosenheim ist sehr vorbildlich“, erklärt die Unternehmenssprecherin. „Wir werden hier sehr gut mit Schutzausrüstung versorgt“, spricht sie für den Standort Oberaudorf. In anderen Landkreisen sähe es indes „zapfenduster“ aus. „Wir haben in Oberaudorf die fünffache Menge an dem, was wir beispielsweise in unserem Heim in Bergen haben.“
Schutzausrüstung:
Eine Herausforderung
Zu wenig Schutzausrüstung – mit diesem Problem habe auch „Pur Vital“ zu Beginn von Corona zu kämpfen gehabt. „In der Regel hat jedes Heim ein kleines Grundpaket, aber kein Mensch war für eine Pandemie gerüstet“, erzählt Zimmerer. Man habe sich die Finger wund telefoniert, um an Ausrüstung zu kommen – „bis nach China.“ Umso erleichterter zeigte sie sich, dass zumindest im Landkreis Rosenheim inzwischen die Versorgung durch den Katastrophenschutz optimal verläuft.
Allerdings: Komme es zu Covid-19-Vorfällen in einer Einrichtung, steige der Bedarf sprunghaft an, weiß Zimmerer. „Dann braucht man unendlich, und es reicht möglicherweise nicht mehr.“ In Oberaudorf (84 Betten) hatte man bis dato Glück, man sei verschont geblieben, auch die Pur-Vital-Heime in Traunreut und Bergen seien noch Covid-frei. Woran das liegen mag? Vielleicht an der Tatsache, dass „Pur Vital“ bereits zum 13. März und damit eine Woche vor der gesetzlichen Maßgabe seine Einrichtungen für Besucher gesperrt hatte. „Uns war das Risiko damals zu groß“, sagt Zimmerer.
Den Ernstfall erlebt der Betreiber indes gerade in seinem Haus in Trostberg (100 Betten): 17 Infizierte und vier Todesfälle. Am Standort Straubing würden aktuell Großtestungen durchgeführt.
Die Aufregung um das Pflegeheim in Aschau, das in den sozialen Netzwerken für große Diskussionen gesorgt hatte – manch einer interpretierte die Berichterstattung als Kritik an den Pflegekräften – , kann Zimmerer nachvollziehen: „Die Mitarbeiter schieben Zwölf-Stunden-Schichten, halten zusammen, sind um das Wohlergehen der Bewohner bemüht und tun einen richtig guten Job. Schlagzeilen wie im Fall Aschau sind dann unglaublich demotivierend.“
Denn: Die Corona-Pandemie fordere einfach alle, niemand sei auf diesen Tag x vorbereitet gewesen – trotz aller Pläne und Theorien, gibt Zimmerer Einblick. Nun komme die psychische Belastung hinzu, wenn aufgrund der Pandemie vermehrt Bewohner versterben. „Das ist auch für die Pflegekräfte ein Riesenverlust. Sie sind ihnen teils wie Angehörige ans Herz gewachsen, und das über Jahre. Da wird viel geweint.“
Angehöriger hält
Betreiber die Stange
Mit großer Überzeugung hinter dem Pflegeheim Priental in Aschau steht Dominic Hirl. Seine Großmutter lebt in der Einrichtung – und ist ebenso an Covid 19 erkrankt. „Ich kann über das Seniorenheim nur Positives berichten, da meine Oma immer sehr gut betreut wurde und wird.“ Auch während der Corona-Krise sei die Familie immer sofort über den gesundheitlichen Zustand telefonisch informiert worden. „Man merkte richtig, wie bemüht das Team um Herrn Rohrmüller ist.“ Hirl weiter: „Die Heimleitung und das ganze Team machen meiner Meinung nach einen hervorragenden Job. Ich habe vollstes Vertrauen, dass sich um meine Großmutter gut gekümmert wird.“