Wasserburg – Die Verhandlung, die heute in Traunstein beginnt, dürfte eine der spektakulärsten der vergangenen Jahre sein: Nichts Geringeres als 28-facher versuchter Mord sowie Brandstiftung und Körperverletzung werden einem 50-jährigen Rosenheimer vorgeworfen. Der Mann, der unter paranoider Schizophrenie leidet, hatte im Herbst einen Brandanschlag auf eine Station des kbo-Inn-Salzach-Klinikums verübt.
Es war ein brutaler Angriff, den ein Pfleger und die anderen Mitarbeiter der Klinikstation nur mit Glück ohne schlimmere Verletzungen überlebten. Ein Mann hatte am 17. November gegen 1.25 Uhr an einer Station auf dem Gelände des kbo-Inn-Salzach-Klinikums in Wasserburg geklingelt. Der Pfleger, der sich anschickte, die Tür zu öffnen, konnte nicht sehen, was der Angreifer im Schilde führte, nahm er den Besucher nur schemenhaft wahr. Nachdem er die Türe einen Spalt weit geöffnet hatte, sagte der Mann nur: „Jetzt seid ihr dran!“ Dann schüttete er dem Pfleger Benzin über Kopf und Körper.
Der Pfleger konnte sich zwar in Sicherheit bringen. Doch entzündete der Täter das im Flur verschüttete Benzin. Der Brand konnte vom Personal schnell gelöscht werden, 26 Patienten wurden evakuiert. Die Brandschäden waren so massiv, dass die Station über Tage für Renovierungsarbeiten geschlossen werden musste. Während die Mitarbeiter des Klinikums noch gegen die Flammen kämpften, wandte sich der Brandstifter zur Flucht. Die Polizei fahndete nach ihm. Der Name der neunköpfigen Ermittlergruppe lautete „Kanister“ – wegen des Kunststoff-Behälters, in dem der Täter den Brennstoff zum Klinikum gebracht hatte.
Wenige Tage später stellte sich ein 50-jähriger Rosenheimer der Polizei, der wegen seiner Ortskenntnis und Parallelen ohnehin ins Visier der Polizei geraten war. Er sagte aus, dass er Stimmen von Engeln höre, die ihm die Tat befohlen hätten.
Der 50-Jährige war in der Station selbst untergebracht gewesen. 2008 hatte er eine ähnliche Tat begangen, im selben Gebäude. Er hatte seinerzeit eine Schwesternschülerin mit Benzin übergossen und auch nach diesem Angriff Benzin auf dem Fußboden verteilt – was die erneute Tat in den Augen des Staatsanwalts nochmals schwerer wiegen lässt. Der Täter habe nicht nur seine Ortskenntnis ausgenützt, sondern habe aufgrund der vorhergehenden Tat vor über zehn Jahren gewusst, wie gefährlich seine Tat war. Nach seiner Tat befand er sich entsprechend einem Gerichtsurteil fast sieben Jahre in einem „psychiatrischen Krankenhaus“, wie das Landgericht Traunstein auf Anfrage mitteilte. Der 50-Jährige habe, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, heimtückisch und nach Plan gehandelt und Schaden von Menschen billigend in Kauf genommen. Das Unrecht der Tat einzusehen und danach zu handeln habe der Angeklagte nicht vermocht.
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Rosenheimer daher erhärten, führt ihn seine Tat erneut in ein psychiatrisches Krankenhaus, und das auf unabsehbar lange Zeit. Aufgrund seiner Erkrankung müsste er als für die Allgemeinheit gefährlich gelten, zudem wären womöglich weitere schwere Straftaten zu erwarten. Die Grundlage dafür bietet der Paragraf 63 des Strafgesetzbuchs, wegen des Falls Gustl Mollath auch bekannt als Mollath-Paragraf. Michael Weiser