Herkunft des Sprengstoffs unklar

von Redaktion

25-jähriger Attentäter hat wohl bei einer Chemiefirma gearbeitet

Waldkraiburg – Der „Bombenleger von Waldkraiburg“ ist geschnappt. Die Polizei hat am Freitag einen 25-Jährigen mit türkischer Abstammung festgenommen, der seit einigen Monaten in Waldkraiburg lebt. Er bezeichnet sich selbst als „Kämpfer des IS“ und gibt als Motiv für seine Taten einen „Hass auf Türken“ an. Noch sind aber viele Fragen offen.

Abfällig über
Ausländer gesprochen

Eine der drängendsten ist: Woher hatte Muharrem D. die Chemikalien und den Sprengstoff für die Rohrbomben? Wie aus der Nachbarschaft zu erfahren war, soll der 25-Jährige bei einem Chemiebetrieb gearbeitet haben. Die Polizei wollte diese Information weder bestätigen noch dementieren. Offen ist auch, wie gefährlich die Rohrbomben waren. „Sie werden derzeit beim Landeskriminalamt untersucht“, sagt Martin Emig, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd auf Nachfrage. Ausgewertet werden nun auch noch verschiedene Datenträger. Bei der Vernehmung hat der 25-Jährige die vier Anschläge gegen türkische Geschäfte in Waldkraiburg gestanden. Außerdem räumte er ein, weitere Attacken zu planen.

Ein Nachbar beschreibt Muharrem D., ein Deutscher mit türkischen Wurzeln, als schüchtern, ruhig und in sich gekehrt. „Ein ganz normaler Bürger, aber er war nicht ganz helle“, sagt er. Der mutmaßliche Brandstifter lebe erst seit drei oder vier Monaten in der spartanisch eingerichteten DreiZimmer-Wohnung in Waldkraiburg. Als Motiv für seine Taten nannte er „Hass auf Türken“ und diese Meinung habe er auch nach außen hin vertreten. „Er war türken- und ausländerfeindlich.“ So würde man sich das bei einem türkischstämmigen Deutschen eigentlich nicht vorstellen, sagt der Nachbar. In Gesprächen habe er abfällig über Ausländer und Flüchtlinge gesprochen. „Ausländer braucht hier keiner“, habe er gesagt. Gewaltbereitschaft sei nicht erkennbar gewesen, auch keine Radikalisierung. Dass er sich mit einem Türken die Wohnung in Waldkraiburg geteilt habe, passt für den Nachbar nicht zu einer fremdenfeindlichen Haltung. Es sei aber mehr eine Zweckgemeinschaft gewesen, als dass sich die beiden Mitbewohner im Vorfeld gekannt hätten.

Spuren und „explosive Stoffe“ hat die Polizei auch in Garching gesichert. Dort hatte der Täter den Sprengstoff in einem Auto in der Tiefgarage deponiert. Ahnungslosigkeit herrscht noch immer bei den Anwohnern in Garching. Sie fragen: „Wer macht denn so was?“ oder „Wie kommt das überhaupt in unsere Garage?“ Einem Bewohner der Anlage ist in den vergangenen Wochen jedenfalls nichts Verdächtiges aufgefallen: „Ich gehe hier oft mit meinem Hund Gassi, aber davon habe ich nichts mitbekommen.“

Noch keine weiteren
Erkenntnisse

Nach der Festnahme geht die Arbeit der Soko „Prager“ weiter, weitere Erkenntnisse über Muharrem D. gibt es aber bislang nicht. „Er wird noch vielfach befragt werden, und es wird eine Zeit lang dauern, bis alles beleuchtet ist“, sagte Polizeisprecher Emig.

Vor dem Wochenende hatte die Polizei noch ein Video veröffentlicht, das einen Mann kurz vor dem Brand in dem türkischen Gemüsegeschäft am Sartrouville-Platz zeigt. Ob es den Täter zeigt, ist bislang nicht geklärt.

Zeugen der Brandnacht hatten gegenüber der Polizei angegeben, dass jemand „Scheiße“ gesagt habe, kurz bevor es ein Krachen gegeben hat. Kurz darauf sei ein junger Mann weggelaufen. Ob der 25-Jährige allein gehandelt hat oder ob es Mittäter gibt, das werden die weiteren Ermittlungen zeigen. „Es gibt bislang keine Hinweise auf Hintermänner oder Mittäter“, sagt Pressesprecher Emig.

Wie tickt der mutmaßliche „Bombenleger von Waldkraiburg“?

Über Muharrem D.s Privatleben ist wenig bekannt. Auf Instragram postet er seit August 2019 vor allem Selfies, die ihn nachdenklich zeigen, anständig gekleidet. Mal intellektuell mit Brille, mal zurückhaltend lächelnd. Mit Dreitagebart und längerem Bartwuchs. Offenbar hat er ein Faible für Kampfsport, zwei Bilder zeigen ihn mit einer gemischten Trainingsgruppe sowie in Aktion mit Boxhandschuhen.

Seit 2013 ist der mutmaßliche Täter Mitglied der Kampfsportabteilung beim TV 1864 Altötting. Regelmäßig trainiert hat er dort aber wohl nicht. Michael Wiedner, Jugendleiter der Abteilung, erinnert sich vage, als er das Bild auf D.s Instagram-Account sieht. „Er ist bei uns nicht besonders aufgefallen.“ Muharrem D. wollte sich fit halten, an Wettkämpfen nahm er nicht teil. Wiedner beschreibt ihn als ruhigen Typen, der nicht groß in Erscheinung getreten sei, in den letzten Monaten vor dem coronabedingten Aus der Trainingsmöglichkeiten aber „wohl regelmäßig in der Sporthalle anzutreffen war“.

Auf seinem Instagram-Account postete Muharrem D. bis Ende April immer wieder Texte aus dem Koran. Dazwischen die Frage, wer die erste muslimische Frau gewesen sei – alles ohne irgendeine Reaktion.je/hsc/pbj

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