Wirt rebelliert gegen Versicherung

von Redaktion

Eric Brodka spielt Hauptrolle in Schmähvideo

Rosenheim – „Der Wirt brennt“ ist der Name eines Schmähvideos, das im Internet seit einigen Tagen für Wirbel sorgt. In dem Video machen Gastronomen ihrem Unmut über die Versicherungskonzerne Luft. Der Grund: Die Versicherungen wollen nur 15 Prozent der Corona-Schäden ersetzen. Für viele Wirte ein Unding.

Eric Brodka (59), der Wirt, der das Augustiner-Bräu in Rosenheim gemeinsam mit seiner Frau Georgia (46) betreibt, ist seit einer Woche ein gefragter Mann. Ständig klingelt sein Telefon, fast täglich muss er Interviews geben. Und das nur, weil er sich einen Spaß erlaubt hat.

Kritik an
Wirtschaftsminister

Gemeinsam mit einem Regisseur sowie den Münchner Kabarettisten Helmut Schleich, Wolfgang Krebs und Luise Kinseher hat er ein Lied aufgenommen, dazu ein Video gedreht. Zielscheibe ist die Versicherungsbranche, die, so findet Eric Brodka, die Wirte im Stich lässt. Denn für den Fall einer Betriebsschließung haben er und seine Frau sowie viele seiner Kollegen eine Versicherung abgeschlossen. Doch eine Auszahlung haben sie bis jetzt nicht erhalten.

„Die Versicherungen haben sich darauf berufen, dass in den Verträgen nicht ausdrücklich der Ausbruch einer Pandemie erwähnt ist“, sagt das Wirte-Ehepaar Brodka. Zudem hätten sich das bayerische Wirtschaftsministerium und der Hotel- und Gaststättenverband Bayern mit einigen Versicherten auf einen Kompromiss geeignet. Demnach sollen die Wirte gerade einmal 15 Prozent des Schadens zurückerstattet bekommen, der durch die coronabedingte Schließung entstanden ist. Begründet werde dieser Kompromiss damit, dass 70 Prozent der Schäden durch Soforthilfe und Kurzarbeitergeld erstattet werden würden. „Das ist totaler Quatsch“, sagen Georgia und Eric Brodka.

Denn die beiden bleiben, trotz Wiedereröffnung der Freischankflächen, auf einem sechsstelligen Betrag sitzen. Dass sie davon gerade einmal 15 Prozent zurückbekommen sollen, ist für sie ein Unding. Eric Brodka spricht von einer „himmelschreienden Ungerechtigkeit“.

Es sei eine spontane Idee gewesen. Zahlreiche Wirte aus München hätten vor knapp drei Wochen zusammengesessen, sich über die schwierige Situation unterhalten. Einer von ihnen habe schließlich die Idee gehabt, ein Lied zu schreiben. Und weil Eric Brodka nicht nur Wirt, sondern auch Soul- und Jazzsänger ist und seit 30 Jahren Theater spielt, habe man ihn beauftragt, „sich etwas zu überlegen“.

„Ich habe die ganze Nacht an dem Text geschrieben“, sagt er. Er schreibt über „Versicherer, die nur ungern hergeben“, darüber, dass es vielen Versicherungsbranchen nur darum gehe, dass „die Boni stimmen und sie eine Prämie erhalten“. Am nächsten Tag singt Eric Brodka das Lied im Studio eines Freundes ein, unterlegt es mit der Melodie von Rainhard Fendrichs „Schickeria“. Zwei Tage später ist das Lied im Kasten.

Hendrik von Bentheim
übernimmt Regie

„Es ist bei allen Wirten unheimlich gut angekommen“, sagt er. Doch damit nicht genug. Er nimmt Kontakt mit dem Regisseur Hendrik von Bentheim (45) auf, schlägt vor, ein Video zum Lied zu drehen. „Eric hat mir das Lied vorgespielt. Danach gab es keine Fragen mehr. Ich war sofort an Bord“, sagt von Bentheim. Auch weil er das Verhalten der Versicherungen „schäbig“ findet.

Eric Brodka lässt seine Kontakte spielen, kontaktierte die Kabarettisten Wolfgang Krebs, Helmut Schleich und Luise Kinseher, aber auch Fernsehkoch Alfons Schuhbeck. Alle seien sofort mit von der Partie gewesen, hätten sogar angeboten, ohne Bezahlung zu arbeiten.

Eine Woche lang arbeiteten Regisseur, Kabarettisten und das Kamerateam auf Hochtouren. Eric Brodka spielt einen Wirt, Wolfgang Krebs schlüpft in die Rolle von Hubert Aiwanger. Koch Alfons Schuhbeck spielt sich selbst, wie er einsam in der Küche sitzt und Sauerkraut trocknet. Luise Kinseher gibt die Rausschmeißerin und zwei Münchner Wirte spielen Versicherungsdirektoren.

„Ich bin jetzt seit 20 Jahren im Geschäft, aber so ein Video habe ich auch noch nicht gedreht“, sagt von Bentheim. Er sei selbst verblüfft gewesen, dass Konzept, Casting, Regie, Produktion, Schnitt und Postproduktion gerade einmal eine Woche gedauert haben.

Das Ergebnis scheint gut anzukommen. Das Video wurde auf Youtube bereits 18000-mal angeklickt. Zahlreiche Promis haben, laut Eric Brodka, das Video gepostet, darunter Kabarettistin Monika Gruber. „Ich glaube, die Versicherungen hassen uns jetzt“, sagt er. Zu kümmern scheint ihn das wenig. Im Gegenteil: „Das passiert eben, wenn man sich mit der Gastronomie anlegt.“ Aber er und seine Frau Georgia wissen auch, dass das Video wahrscheinlich in der Politik keinen Unterschied machen wird. Deshalb haben sie bei Gericht Klage eingereicht gegen ihre Versicherung.

Keine Rücklagen
und Zukunftsängste

Einen Schritt, den Theresa Albrecht, die Rosenheimer Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, nachvollziehen kann. „Natürlich sind die Wirte über die 15-Prozent-Regelung enttäuscht“, sagt sie. Für viele sei eine komplette Rückerstattung „überlebenswichtig“ gewesen.

Denn die Situation im Landkreis sei, trotz der Lockerungen, schwierig. „Viele werden schließen müssen, fast alle haben Zukunftsängste“, sagt sie. Ängste, die auch Eric und Georgia Brodka kennen. Denn dadurch, dass sie erst vor zwei Jahren das Augustiner-Bräu übernommen haben, haben sie „so gut wie keine Rücklagen“, seien noch „in der Investitionsphase“ gewesen. „Ans Aufgeben denken wir trotzdem nicht.“ Sollten sie vor Gericht recht bekommen und die Versicherung voll bezahlen müssen, dann könnten sie mit dem Geld „einen Teil der Ausfälle decken“.

Und wenn nicht, dann müsse er eben ein zweites Video drehen, sagt Eric Brodka. Der Regisseur Hendrik von Bentheim jedenfalls hat bereits zugesagt.

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