Die Masken-Rebellin

von Redaktion

Ärztin Ulrike Sill bezweifelt Sinn von Corona-Regelung

Rosenheim/Bruckmühl – Mund- und Nasenschutz gilt als Waffe im Kampf gegen Corona. Doch dagegen gibt es Widerstand. Unter den Gegnern sind auch Mediziner. So wie Ulrike Sill. Sie hält den Mund- und Nasenschutz für wirkungslos. Schlimmer noch, sagt die Allgemeinmedizinerin – er ist ein Risiko.

Damit steht die Bruckmühlerin im Gegensatz unter anderem zum Gesundheitsamt in Rosenheim. Das hat eine eindeutige Meinung zum Mund-Nasen-Schutz. „Grundsätzlich ist alles gut, was Mund und Nase bedeckt, egal ob dies eine medizinische ist, eine selbst genähte, waschbare oder ein sogenannter Mund-Nasen-Schutz, wie er im OP getragen wird“, ließ sich Gesundheitsamtsleiter Wolfgang Hierl kurz vor Einführung der Maskenpflicht im April im OVB zitieren. „Auch ein Schal oder Halstuch sind geeignet.“

Falscher Stoff,
falsche Anfertigung?

„Wenn ich die Bevölkerung das einfach so tragen lasse, dann verteilt sich Corona mit Maske genauso wie ohne“, sagt Sill. „Es bringt eigentlich keinen Unterschied. Das Einzige, was etwas bringt, ist der Abstand.“ Der falsche Stoff, die falsche Anfertigung, falsch getragen – als Virenbarriere für Otto Normalverbraucher tauge der Mund-Nasen-Schutz im Allgemeinen nicht. Das stehe sogar auf den Packungen drauf.

Im Gegenteil. „Das Problem ist, dass die Masken schnell feucht werden. Da bildet sich ein Biotop für Erreger, was wiederum Krankheiten auslösen kann.“ Ein anderer Nachteil sei die Rückatmung von Kohlendioxid, das sich in der ausgeatmeten Luft befindet. „Die Folgen können Kopfweh und Sauerstoffmangel sein.“ Ihren Standpunkt, so sagt sie, könne sie mit Studien untermauern.

Sie zählt sich zu den Ärzten, die Atteste für die Befreiung von der Maskenpflicht ausschreiben. Was im Prinzip gesetzeskonform ist.

Eine Maske muss ausnahmsweise dann nicht getragen werden, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist. Dies kann unter Umständen bei einem Asthmatiker, bei einer anderen schwerwiegenden chronischen Atemwegserkrankung, einer schweren Behinderung oder einer schweren Demenzerkrankung der Fall sein.

So sieht es die „Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmeverordnung“ vor. Derlei kann ein Arzt mit einem formlosen Schreiben bescheinigen. „Wir gehen davon aus, dass die Ärzte in Stadt und Landkreis Rosenheim ihrer Berufspflicht bei der Ausstellung solcher Bescheinigungen zuverlässig nachkommen und die Fälle prüfen“, sagt Wolfgang Hierl.

„Ich stelle zum Beispiel Atteste für Menschen aus, die Atemnot aufgrund von Allergien oder Asthma beklagen, die man ihnen schon beim Betreten des Behandlungszimmers ansieht“, sagt Ulrike Sill. Schließlich definiere jeder selbst, was für ihn zur Atemnot führe oder auch unerträglich sei. „Ob das objektiviert werden muss, sei dahingestellt.“

Wolfgang Hierl hält den Mund-Nasen-Schutz „für einen zusätzlichen Baustein, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus zu reduzieren“, wie er auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen erklärte. In allererster Linie aber gelte es, ausreichend Abstand zu halten sowie Husten-Nies-Etikette und Hygiene-Regeln zu beachten.

Ulrike Sill hält die Maske für absolut nötig im medizinischen Bereich, sonst jedoch für das Symptom einer aus ihrer Sicht verkehrten Pandemie-Politik. Das Thema Corona sei aufgebauscht worden, auch was die Toten-Zahlen betreffe, die sich in Deutschland unter 10000 bewegen. „Täglich verhungern 15000 Kinder, ohne dass sich irgendjemand darüber aufregt“, sagt sie. Letztlich habe man nur Angst geschürt. „Panik und Angst sind aber das Schlechteste fürs Immunsystem.“

Nikolaus Klecker, Hausarzt in Rosenheim und Oberbayern-Vorsitzender des Hausärzteverbands, findet es unangebracht, Opferzahlen gegeneinander aufzurechnen: Den einen könne man helfen, den anderen überwiegend nicht. Die Masken aber hätten damit nichts zu tun.

Ulrike Sill übt deutlich Kritik. Steht sie damit allein? Zustimmung bekommt sie offiziell nur in einzelnen Punkten. Aus Gesprächen wisse man, so sagt es Axel Heise, stellvertretender Sprecher des Kassenärztlichen Verbandes, „dass in der Ärzteschaft nicht alle Mitglieder es für ,medizinisch sinnvoll‘ halten, eine Maskenpflicht zu verhängen“. Beschwerden aber seien nur in zwei Fällen dokumentiert.

Nikolaus Klecker bekennt, kein „Maskenfreund“ zu sein, andererseits: „Ich glaube aber, dass es in geschlossenen Räumen etwas hilft.“ Was ihn nervt ist, was er als Aktionismus und Wirrwarr beobachtet: auf der einen Seite die Maskenpflicht beim Betreten eines Biergartens, auf der anderen Seite maskenfreies Sitzen drinnen am Tisch.

„Das versteht
keiner mehr“

Einerseits ein Dschungel an Vorschriften zu Corona, auf der anderen Seite dicht gepackte Mengen von Menschen am See, die sich an so gut wie keine Vorschrift mehr zu halten scheinen. „Bis vor Kurzem galt: Im Biergarten bis 20 Uhr, drinnen bis 22 Uhr“, sagt Klecker zweifelnd. „Das ist Aktionismus und schaut so aus wie eine Machtdemonstration. Das versteht keiner mehr.“

Die Polizei sieht weder in Attesten noch in Maskenverweigerern ein Problem. Man führe keine Statistik, was die Häufigkeit solcher Ordnungswidrigkeiten angehe, sagt Sprecher Alexander Huber. Man spreche mit den Menschen, könne jemand gute Gründe anführen, dann sei das schon in Ordnung. Ein Attest aber bringt ohnehin wenig, sagt er. „Das müssten Sie sich schon um den Hals hängen, damit’s auch wirklich jeder Kunde und jeder Verkäufer sieht“, sagt er. „Die Sozialkontrolle ist ja doch nicht zu unterschätzen.“

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