Bewegende Lebenslinien

von Redaktion

Zwischen Himmel und Erde

Ganze 14 Tage dauerte das Eheglück. Zwei Wochen nach der Hochzeit muss der Soldat an die Front und wird in Russland vermisst. Die Briefe der Feldpost bleiben aus, und als die junge Ehefrau 1944 die Flucht von Schlesien nach Bayern antritt, ist sie bereits Witwe, ohne es zu wissen. Lange gibt sie die Hoffnung nicht auf, aber von Tag zu Tag wächst die Gewissheit, dass der Geliebte nicht mehr kommen wird.

76 Jahre später stehe ich vor dem Sarg der hochbetagt Verstorbenen. Wir tragen ein Stück Zeitgeschichte zu Grabe.

Nicht alles, was mir die Hinterbliebenen aus dem Leben der Verstorbenen berichtet haben, fließt in meine Predigt ein, aber vieles bewegt mich im Herzen. Ich stelle mir die Frage, wie diese Biografie ohne Krieg und traumatische Flucht vielleicht hätte anders verlaufen können. Aber diese Frage ist Makulatur. Sie stellt sich nicht.

Auch heute kann Glück durch Krankheit oder Unfall durchkreuzt werden. Wir haben die Sonnenseite unseres Lebens nicht gepachtet, aber Kriege sind von Menschen gemacht und die Leidtragenden Opfer von sinnloser und unverschuldeter Gewalt.

Und doch spüre ich bei dieser Beerdigung auch Dankbarkeit, denn ich kann im Rückblick auf das Leben der Verstorbenen von so vielen schönen Erfahrungen erzählen. Trotz ihres Schicksals in jungen Jahren hat gerade diese Frau ihr Leben unglaublich positiv und kraftvoll gemeistert und Wunderbares hinterlassen – in einem unerschütterlichen Glauben, dass alles einen letzten Sinn hat und Gott unsere Lebenslinien einmal zur Vollendung bringen wird.

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