Samerberg/Erl– „Ich hab ihn angeschaut, er hat mich angeschaut, und mein Gefühl – das war kein gutes.“ So beschreibt Markus Schwaighofer aus Erl seine Begegnung der unheimlichen Art. Sein Aufeinandertreffen mit einem Wolf.
Der Landwirt und Jäger war am Montagmorgen auf seiner Alm im Hochriesgebiet grad mit dem Melken fertig geworden, da bemerkte er, dass die Tiere auf der Weide – Jungtiere und trächtige Tiere – unruhig geworden waren. Auf und ab seien die gelaufen, sagte er den OVB-Heimatzeitungen. Er schaute hin – und sah einen Wolf. „Ein Riesenprackl“, sagt er, „größer als ein Schäferhund.“ Als Jäger wisse er einen Wolf von einem Hund zu unterscheiden. Er habe Furcht verspürt, sagte er. „Wenn ein Wolf so nah an große Tiere herangeht, und auch noch in der Nähe der Menschen – dann ist das kein gutes Zeichen.“
„Tagesgespräch“
am Samerberg
Schwaighofer überwand seinen Schrecken und filmte mit dem Handy. Man sieht einen regenverhangenen Himmel, sattgrüne Wiesen. In einiger Entfernung läuft ein dunkles Tier, im langgestreckten, geduckten Stil eines Raubtiers. Einige Male blickt es sich vorsichtig um. Als wollte es sich vergewissern, dass es nicht verfolgt wird.
Was zeigen die verwackelten Bilder? Wirklich einen Wolf? Almbauern und Jäger scheinen sich da sicher. Skepsis dagegen äußert das Landesamt für Umwelt in Augsburg. Möglich, aber nicht bestätigt, heißt es bei der Behörde. „Die Bilder sind nicht sonderlich gut“, sagte ein Sprecher, man werte die Aufnahmen noch aus.
Die Aufregung aber ist schon da. Hans Stöckl aus Inzell, Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins mit Sitz in Holzkirchen, berichtet von einem großen Echo auf die Sichtungen. „Das ist bei uns Tagesgespräch“, sagt er. Er ist sich „relativ sicher“. Was er auf dem Clip gesehen habe, lasse ihn auf einen Wolf schließen. Ähnlich äußert sich Franz Sommer, Vorsitzender der Jägervereinigung Rosenheim: „Ich bin mir zu 90 Prozent sicher: ein Wolf!“
Unbestätigte Berichte sprechen von Jungrindern oder Kälbern, die angegriffen worden seien. Stöckl liegen Fotos vor, die Verletzungen am Hinterteil einer Kalbin zeigen.
Ein Rüde auf der Durchreise?
Ein Beweis ist das nicht. Am sichersten sei der Nachweis durch die Losung des Wolfs und seinen genetischen Pfotenabdruck, sagt Franz Sommer. Das Wildtier aber erledige sein Geschäft eher abseits, „wo es sich sicher fühlt“. Der Regen erschwere die Spurensuche zusätzlich. Almbauern sollten daher auch nach Fellbüscheln im Zaun schauen. Überrascht von der Nachricht zeigte sich Samerbergs Bürgermeister Georg Huber: Er habe von der Wolfssichtung noch nichts gehört, wolle sich auch nicht dazu äußern.
Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen in der Region Rosenheim einen Wolf tatsächlich oder vermeintlich sichten. Zwischen Miesbach und Ruhpolding verzeichnet der Bund Naturschutz bis gestern aber nur vier durch Genetik bestätigte Aufenthalte von Wölfen. Schon diese geringe Anzahl aber stimmt die Almbauern sorgenvoll.
„Wolf passt nicht in unseren Lebensraum“
„Der passt nicht in unseren Lebensraum“, sagt etwa Kreisbäuerin Katharina Kern, die eine Alm im Sudelfeldgebiet bewirtschaftet. Es gebe Zonen, wo er seine Berechtigung habe, sagt sie. Aber in den Voralpen der Region Rosenheim? „Zu dicht besiedelt“, findet sie, zu viele Menschen auch, die dort zur Freizeit weilen und Erholung suchen. Und ein schier unlösbares Problem für die Almbauern.
Da wären die Schäden für die Tierhaltung. „Ein Wolf reißt nicht nur ein Tier, sondern fünf oder sechs“, sagt Katharina Kern.
Ein Schafszaun sei für ihn leicht zu überwinden. Wer von massiveren Gegenmaßnahmen rede, den lade sie gerne zu sich auf die Alm ein. „Wir haben 96 Stück Vieh, Wanderwege gehen durch. Wenn ich Hütehunde einsetze, dann muss das Landratsamt den Weg sperren.“ Ein einzelner Wolf, der schnell mal durchziehe, sei nicht das Problem, sagt sie. Mit der dauerhaften Existenz des Wolfs in derselben Region aber seien Almen nicht mehr zu bewirtschaften.
Tina Eisen aus Mittelfranken, die gerade für einige Monate als Sennerin auf der Hofalm arbeitet, nicht allzu weit weg von der Stelle, wo der mutmaßliche Wolf gesichtet wurde, fühlt sich persönlich durch die Nachricht leicht beunruhigt. „Den möchte ich sehen, der da noch locker-flockig über die Wiesen hüpft.“