„Der Respekt vor der Polizei erodiert“

von Redaktion

Interview Robert Kopp spricht nach der Krawallnacht von Stuttgart über Gewalt gegen Ordnungshüter

Rosenheim – Die Krawallnacht von Stuttgart sorgte für einen Schock. Auch in Bayern. Bleibt die Frage: Nimmt die Gewalt gegen die Polizei zu? Die OVB-Heimatzeitungen sprachen mit Polizeipräsident Robert Kopp über alarmierende Zahlen. Und darüber, wie die Polizei der Aggression gegensteuern will.

Was empfinden Sie angesichts der Bilder aus Stuttgart?

Den Trend kontinuierlich zunehmender Gewalt gegen Polizeibeamte sehe ich mit Besorgnis. Nach dem Gewaltausbruch in der Krawallnacht von Stuttgart ist es wirklich allerhöchste Zeit, dass Aggression und Gewalt gegen Polizeibeamte – aber auch gegen Angehörige von Rettungsdiensten und Feuerwehren – gesamtgesellschaftlich geächtet wird. 

Lässt sich die Zunahme der Gewalt belegen?

Seit dem Jahr 2010 wird „Gewalt gegen Polizeibeamte“ in einem bayernweiten Lagebild erfasst. In den letzten knapp zehn Jahren hat sich die Anzahl an Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte ungefähr um 50 Prozent erhöht. Erfasst werden dabei auch Fälle wie Beleidigung, Nötigung und Bedrohung. Der Hauptanteil der Delikte beläuft sich mit jeweils etwa einem Drittel der Taten auf Beleidigungs- und Widerstandsdelikte. Die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte lässt sich auch im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd ablesen. So wurden 2009 484 derartige Fälle registriert, über die folgenden Jahre haben sie kontinuierlich auf 770 Fälle im Jahr 2019 zugenommen. Mit 212 Fällen – gerechnet auf 100000 Einwohner – liegt die Stadt Rosenheim auf dem hochbelasteten Platz drei im Vergleich der bayerischen Städte mit mehr als 20000 Einwohnern. Diese statistische Entwicklung ist ein Indiz dafür, dass der Respekt vor der Polizei erodiert. Andererseits belegen aber aktuelle Studien, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei ungebrochen hoch und die Polizei bei Umfragen regelmäßig sehr gut abschneidet.

Wie reagiert die Polizei auf Provokationen, Pöbeleien, Übergriffe?

Der Polizeiberuf an sich fordert ein hohes Maß an Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit. Bereits in der Ausbildung werden angehende Polizeibeamte im Training von unterschiedlichen Szenarien auf den praktischen Polizeidienst vorbereitet. Kommunikation und Konfliktbewältigung, aber auch Berufsethik und Psychologie bis hin zu konsequenten Festnahmetechniken spielen hier eine Rolle. Auch nach der Ausbildung werden im sogenannten polizeilichen Einsatztraining unterschiedlichste Einsatzlagen regelmäßig geübt. Auch durch eine Verbesserung der Körperschutzausstattung und die Einführung der Body-Cam werden Polizeibeamtinnen und -beamte besser geschützt.

Die Zahl der Straftaten sinkt, die Aufklärungsquote steigt. Und doch fühlt sich der „Bürger“ mehr und mehr bedroht…

Wir haben im Freistaat Bayern traditionell eine niedere Kriminalitätsbelastung als in anderen Bundesländern. Gleichzeitig können wir über die Jahre hinweg auf eine steigende Aufklärungsquote zurückblicken. Demzufolge ist auch das südliche Oberbayern eine sehr sichere Region. Diese erfreuliche Entwicklung spiegelt sich aber leider nicht durchgängig im Sicherheitsempfinden wider. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das Sicherheitsempfinden hängt jedoch weniger von tatsächlich belegbaren Zahlen als vielmehr von persönlichen Ängsten, Erfahrungen und Informationen ab. Zunehmend spielen hier leider auch Falschinformationen und Fake News eine Rolle.

Wie will die Polizei das Sicherheitsgefühl verbessern?

Durch die Erhöhung der sichtbaren polizeilichen Präsenz im öffentlichen Raum, insbesondere an Brennpunkten und zu tatrelevanten Zeiten, wenn erforderlich aber auch mit einem konsequenten Durchgreifen bei Aggression und Gewalt – so wollen wir das Sicherheitsempfinden der Menschen stärken. Darüber hinaus sind wir bestrebt, das Wissen über die tatsächliche Sicherheitslage in unserer Region noch weiter zu verbessern.

Interview: Michael Weiser

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