Als der Münchener Erzbischof Julius Kardinal Döpfner im Juli 1976 überraschend an Herzversagen starb, lag eine fertige Predigt auf seinem Schreibtisch.
Er wollte diese Ansprache wenige Tage später im Bayerischen Rundfunk halten und beschäftigte sich darin mit einer Frage, die ihm Jugendliche zuvor gestellt hatten: „Sind Sie schon einmal Gott begegnet?“ Döpfner antwortete ihnen mit „Nein, wenn damit gemeint sei, ob er schon einmal Gott begegnet sei, wie man einem Menschen begegne, den man mit den Augen sehen kann. Er sei Gott aber schon sehr oft begegnet, jedoch in anderer Weise.“
Die Frage der Jugendlichen hat sich nicht geändert, seit es Menschen gibt. Der russische Kosmonaut Juri Gagarin soll gesagt haben: „Ich war im All und habe Gott nicht gefunden.“ Die Theologen versuchen die Existenz Gottes zu beweisen und die atheistischen Wissenschaftler werden diese widerlegen. Die Bücher füllen ganze Regale.
Der Verstand versucht zu erklären, Gott erahnen kann aber nur das Herz: im Wunder eines neugeborenen Kindes, im Blick von einem Berggipfel in die Weite, in der Liebe, die ohne Berechnung verschenkt wird oder in der Kraft, die in schweren Zeiten zuwachsen kann. Für Christen hat die Liebe Gottes in Jesus Christus ein menschliches Gesicht bekommen.
Seine letzte Predigt darüber hat Kardinal Döpfner nicht mehr halten können. Er weiß jetzt mehr. Uns bleibt der Psalmvers, mit dem sein Manuskript endet: „Zu dir redet mein Herz, nach dir sucht mein Gesicht, nach deinem Antlitz suche ich.“