Gott ausreden lassen

von Redaktion

Zwischen Himmel und Erde

Als im März dieses Jahres die Ostfriesischen Inseln für alle Besucher gesperrt wurden, war ich zu meiner jährlichen Stilleauszeit noch dort. Kein Schiff legte mehr an, ich durfte aber vorerst bleiben.

Die Inselbewohner traf der Lockdown hart, denn vor dem Start in die Saison fehlten jetzt die einzigen Einnahmen. Als die Nachricht auf der Insel die Runde machte, griff der Ladeninhaber zu seinem Besen und ich hörte ihn leise sagen: „Erst mal fegen.“ Wie der Straßenkehrer Beppo aus dem Buch „Momo“ kehrte er in stoischer Gelassenheit, als gäbe es nichts anderes auf der Welt.

Wenn ich manchmal meine innere Ruhe verliere, habe ich jetzt immer den bärtigen Ostfriesen mit seinem Besen vor Augen. Die Ungeduld ist sicher einer meiner größten Fehler, nicht nur beim Warten im Stau oder wenn der Computer ewig lange braucht. Sie umfasst alle Lebensbereiche.

Dabei sind es nicht die anderen, die meinen Geduldsfaden reißen lassen. Meist bin ich schon selbst die Ursache, wenn ich etwas nicht sofort auf die Reihe bringe. Die größte Geduld aber fordert mir der liebe Gott ab, wenn ich auf meine persönlichen Lebensfragen keine Antwort bekomme.

Den Schlüssel lieferte mir dann ein geistlicher Lehrer mit dem Satz: „Sie müssen Gott schon mal ausreden lassen!“ Man kann sicher nicht immer nur warten, aber vielleicht ist es manchmal besser, wie der ostfriesische Ladenbesitzer erst einmal gelassen „vor der eigenen Türe zu kehren“; oder wie Paulus im Römerbrief schreibt: „Wir wissen, dass Gott bei denen die ihn lieben, alles zum Guten führt.“

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