Vorbeugen gegen Wolf: Freistaat zahlt für Zäune und Hunde

von Redaktion

Schafe in Reit im Winkl gerissen – Landesamt prüft DNA – Almbauern skeptisch gegenüber Maßnahmen

Traunstein – Der Wolf ist da. Zumindest ist er es in den Gedanken von Almbauern, Naturschützern und Lokalpolitikern der Region Rosenheim. Nun stellt sich dort auch das Landesamt für Umwelt in Augsburg auf den umstrittenen Gast ein. Man gehe von mittlerweile sechs gerissenen Tieren in Reit im Winkl aus und könne einen sogenannten „großen Beutegreifer“ nicht mehr als Täter ausschließen. Außerdem reagiert der Freistaat mit der Ausweitung der Förderung für Herdenschutz: Im Landkreis Rosenheim sind Nutztierhalter in den Gemeinden Samerberg, Frasdorf und Aschau im Chiemgau berechtigt, Anträge zu stellen. Im Landkreis Traunstein gilt das sogar für noch mehr Gemeinden: neben Reit im Winkl Schleching, Marquartstein, Unterwössen, Ruhpolding, Staudach-Egerndach und Bergen.

Reit im Winkls Bürgermeister Matthias Schlechter begrüßt den Ansatz grundsätzlich: „Es ist dem Frieden dienlicher, vorher den Schutz der Herden zu fördern, als hinterher Schadensersatz zu zahlen.“ Viele Almbauern aber sind skeptisch. „Man kann Wolfsschutz machen, wo er gegeben ist“, sagt Brigitta Regauer, die Wolfsbeauftragte des Almwirtschaftlichen Vereins. „Wenn ich ihn nur halbscharig mache, hilft er nichts. Und es gibt Gelände, da geht’s nicht.“

Seit Längerem im Grenzgebiet aktiv

Nach Sichtungen eines wolfsähnlichen Tiers im Gebiet der Hochries waren in Kössen in Tirol und in Walchsee Tiere gerissen worden, schließlich in Reit im Winkl. Franz Mühlberger, Bezirksalmbauer aus Reit, weiß sogar von acht Schafen, die gerissen wurden, dazu „mehrere Stück Rotwild“. Das Landesamt in Augsburg stuft die gerissenen Schafe als konkrete Spur ein und lässt die DNA-Spuren untersuchen. Ein Ergebnis liegt frühestens in einer Woche vor. Die meisten Almbauern und viele Jäger sind sich jetzt schon sicher. „Zwei, vielleicht sogar drei Wölfe“ seien es, sagt Franz Mühlberger, dessen Schluss legten Entfernung und zeitliche Nähe der verschiedenen „Tatorte“ nahe.

Auch Franz Sommer, Vorsitzender der Rosenheimer Jäger, meint: „Mit Sicherheit ein Wolf.“ Vor allem die Almbauern bleiben dabei: Wolf und Almwirtschaft, das verträgt sich nicht. Klar, der Staat will zahlen. Aber ist das Geld gut investiert? „Es gibt kein Patentrezept für alle Almen“, sagt Franz Mühlberger, „und den Kostenaufwand für einen Zaun kann man sich gar nicht vorstellen.“

Skeptisch ist er auch gegenüber dem Herdenschutzhund. Guter Hund ist teuer, und Bergtouristen müssten wohl einen weiten Bogen um ihn machen oder vorbereitet sein – ähnlich wie in der Schweiz, wo der Bergfex extra Karten im Internet studieren kann und soll. In alpinen Regionen seien solche Hunde auf ein „probates Mittel“, heißt es aus dem Landesamt. Allerdings brauchen Hund und Halter lange gemeinsame Lehrzeit. Mühlberger kennt einen weiteren Grund, sich keinen solchen stets bell- und kampfbereiten Hund anzuschaffen. „In einer oberbayerischen Fremdenverkehrsgemeinde wie Reit im Winkl hätten die Nachbarn keine Gäste mehr und ich keine Freunde mehr“, sagt er.

Sein Fazit: „Der Wolf braucht den hohen Schutz nicht, er ist nicht mehr vom Aussterben bedroht.“ Brigitta Regauer wäre die sanfte Lösung am liebsten: „Am besten wär’s, er zieht weiter.“

Hirnschmalz
ist gefordert

Ursula Fees vom Bund Naturschutz glaubt, dass der Wolf seinen Platz finden könnte. „Ich sehe aber die Probleme der Almbauern, und eine wirkliche Lösung ist schwierig.“ Und ein Blutbad wie in Reit im Winkl nimmt auch sie mit. „Das sind schon extreme Erlebnisse, mir tun die Bauern leid.“ Im Abschießen aber sollte die Lösung nicht bestehen. Der Mensch, das intelligenteste Wesen der Erde, müsste weiter denken, findet sie. „Da brauchen alle Seiten Hirnschmalz.“

Artikel 9 von 11