Raserprozess „zehrt an Substanz“

von Redaktion

Entscheidung dauert: Revision liegt nun beim Obersten Landesgericht

Samerberg/Rosenheim – Das lange Warten auf den Abschluss – für die Familien von Ramona Daxlberger und Melanie Rüth wie auch für die Angeklagten dauert es an: Im Revisionsverfahren zum Raserprozess um den Unfalltod der beiden jungen Frauen im November 2016 ist nunmehr das Bayerische Oberste Landesgericht am Zuge, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München ihren Antrag eingereicht hat.

In ihrer Stellungnahme sieht die Generalstaatsanwaltschaft „keine rechtlichen Bedenken“ gegen den Schuldspruch, der Antrag läuft also auf eine Verwerfung der Revision hinaus. Gesetzt dem Fall, das Oberlandesgericht folgt diesem Antrag, wird der Prozess nicht mehr aufgerollt. Für Sebastian M. und Daniel R. bliebe es bei ihren Freiheitsstrafen von über zwei Jahren wegen fahrlässiger Tötung.

Etappe und
Belastungsprobe

Das Unfalldrama bewegt die Menschen in der Region noch nach dreieinhalb Jahren. Am 20. November 2016 war Melanie Rüth (21) vom Samerberg in ihrem Nissan Micra mit ihren Freundinnen Lena und Ramona Daxlberger (15) auf dem Weg nach Hause, als kurz nach 21 Uhr auf ihrer Spur der damals 23-jährige Simon H. aus Ulm entgegenkam und frontal in den Nissan krachte. Melanie starb noch an der Unfallstelle, Ramona, die auf dem Rücksitz gesessen hatte, wenige Stunden später im Krankenhaus. Ramonas Schwester Lena überlebte schwerst verletzt.

Für die Eltern der beiden jungen Frauen ist der Eingang des Antrags beim Bayerischen Obersten Landesgericht eine erneute Belastungsprobe. Ralf Rüth, Vater von Melanie, glaubte im ersten Augenblick, als er den Antrag in der Hand hielt, bereits die Verwerfung der Revision und damit endlich den Abschluss des Prozesses vor sich zu haben. „Klar, das hatte ich gehofft“, sagte Rüth.

Für ihn sei das Ganze immer noch „ein Wahnsinn“ und „brutal“. Immerhin habe sich die Generalstaatsanwaltschaft München an die Seite der Traunsteiner Richter gestellt, „wir haben also wieder eine Hürde genommen“, sagte Rüth. Ähnlich äußerte sich Manuela Daxlberger, Mutter von Ramona. „Wir hatten uns Hoffnungen gemacht“, sagte sie. „Es ist nervenaufreibend.“ Zwei Richtersprüche zu diesem Fall habe es bereits gegeben, die Angelegenheit zehre „gewaltig an der Substanz“. „Aber man lernt zu warten und versucht, sich aufzurappeln und an die Gerechtigkeit zu glauben.“

In der Berufung
Strafen verschärft

Das Rosenheimer Amtsgericht hatte den Unfallfahrer Simon H. in einem ersten Prozess zu 20 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, gegen Daniel R. sowie Sebastian M., beide aus der Region, verhängten die Richter Haftstrafen.

Beide, so lautete der Vorwurf, sollen den Ulmer beim Überholvorgang am Wiedereinscheren gehindert und somit den Unfall provoziert haben.

Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Traunstein im November 2019 hatte die Sechste Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Dr. Jürgen Zenkel die Urteile gegen die beiden BMW-Fahrer weitgehend bestätigt, die Strafen allerdings verschärft. Die Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten für Sebastian M. blieb bestehen, die Strafe von Daniel R. wurde um fünf Monate erhöht, und zwar auf zwei Jahre und fünf Monate.

Die Verteidiger hatten bereits kurz nach dem Urteil angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Harald Baron von Koskull, Verteidiger von Daniel R., sah „mehrere Details in der Urteilsbegründung“, die überprüft werden müssen. Dr. Andreas Michel reichte für Sebastian M. ebenfalls einen Revisionsantrag ein. Ursprünglich war ein Spruch für April vorgesehen gewesen. Dann kam Corona. Nun ist frühestens für August damit zu rechnen, wie Florian Gliwitzki mitteilte, der Sprecher des Bayerischen Obersten Landesgerichts.

Entscheidung wohl
erst im August

Die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft wird nun zunächst beim Vorsitzenden des Strafsenats landen. Der Vorsitzende bestimmt einen Berichterstatter, der die Beratung des Strafsenats vorbereitet. Dann machen sich die drei Richter des Strafsenats an die Lektüre der Prozessunterlagen – allein acht Bände Strafakten sind zu studieren.

Dies kann laut Gliwitzki bei klar gelagerten Fällen vier bis sechs Wochen dauern, bei komplizierten Gemengelagen entsprechend länger.

Artikel 10 von 11