Schreckgespenst der Almbauern

von Redaktion

Raubtier reißt unweit von Reit im Winkl erneut Schafe – Ein Wolf?

Reit im Winkl – 15 tote Schafe innerhalb einer Woche, zuletzt am Donnerstag. Und das in Kössen und Walchsee, unweit der Grenze: Im Raum Rosenheim und Traunstein wächst die Angst vor dem unbekannten Raubtier, das in den vergangenen Wochen mit Rissen Schlagzeilen machte. Es scheint festzustehen, dass Raubtiere nicht länger nur ein Problem der Österreicher sind. Wölfe wurden jüngst auch in anderen Teilen Oberbayerns gesichtet, man wird sich auch zwischen Rosenheim und Reit im Winkl wappnen müssen.

Eine Spur der
Verwüstung

Noch ist nicht geklärt, ob es nahe Reit im Winkl ein Wolf oder ein Wolfshund ist. Für Almbauern ist das angesichts einer langen Spur der Verwüstung aber eine akademische Frage. Betroffen sind etwa Willi Gstatter (65) und sein Sohn Florian (41) in Ötzleiten, einem Ortsteil von Reit im Winkl. Beide Züchter hatten Ende Juni den Verlust von neun gerissenen Schafen zu beklagen. Zwei ihrer Tiere sind nach der vermuteten Attacke eines Wolfs nicht wieder aufgetaucht. Es war wahrscheinlich derselbe Angreifer, der schon in Tirol getötet hatte. „Es war ein herzzerreißender Anblick, als wir die Schafe mit aufgerissenem Euter und durchbissener Kehle gefunden haben“, sagte Willi Gstatter nun einem prominenten Besucher, dem Stimmkreisabgeordneten Klaus Steiner (CSU). Der Zweck von Steiners Besuch war die Antwort auf diese Frage: Kann der bayerische „Aktionsplan Wolf“ funktionieren? Der Wolf ist streng geschützt. Andererseits bangen die Bauern, speziell auf den Almen. Schutzmaßnahmen sind aufwendig. Was die Gstatters angeht, hat die Weideschutzkommission ihre Meinung geäußert: Die Umzäunung der vier Weideflächen der Gstatters im Tal und auf den Almen sei unpraktikabel. „Aufgrund der Schneelast müssten wir den bis zu 20000 Euro teuren, 1,40 Meter hohen Schutzzaun, der permanent elektrisch geladen ist, im Herbst ab- und im Frühjahr wieder aufbauen“, so Willi Gstatter. Das sei auf Dauer nicht machbar, der Erfolg zudem fraglich. Und der Einsatz von Herdenschutzhunden? „Kostet im Jahr 1000 Euro, er erfordert vom Halter einen Sachkundenachweis, weil er in die Kategorie Kampfhunde fällt, und ist erst ab 50 Tieren sinnvoll“, sagte Gstatter.

Im Fall der beiden Züchter wären sogar zwei der Schutzhunde nötig, die aktuell etwa in den Schweizer Alpen eingesetzt werden. Derlei Hunde, das wissen Fachleute, brauchen eine lange Erziehung. Und nicht nur sie: Ihr Besitzer muss sich umstellen, muss quasi mitlernen. Er muss sich überlegen, wie er den Hund im Winter beschäftigt. Und wie er im Sommer in der gut erschlossenen Chiemgauer Almenwelt Konflikte mit Wanderern verhindert.

Bald kein Vieh
mehr auf der Alm?

Was die Tierhalter ebenfalls umtreibt: An die Entschädigungen kommt man nicht immer und schon gar nicht leicht. Der Nachweis fällt oft schwer – und kann dauern. „Ich bekomme für meine gerissenen Milchschafe keinen Ersatz, muss aber Lieferverträge erfüllen“, klagt Florian Gstatter. Er sieht das nebenberuflich betriebene Geschäft mit seinen rund 170 Milchschafen mit Lämmern in Gefahr. „Die Konsequenz ist, dass ich die Almen nicht mehr bewirtschaften kann, sondern die Tiere nur mehr im sicheren Laufhof halte.“

Hilfe erhoffen sich die Gstatters und andere Almbauern von Klaus Steiner. Der sprach von „Entnahmeregelungen“, die „neu diskutiert“ werden müssten. Will Steiner auf eine Senkung des hohen Schutzstatus’ des Wolfs drängen? Auch bei anderen, mitunter als höchst schädlich empfundenen Wildtieren müsse man im Falle von Überpopulationen nachbessern, ließ er wissen.

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