Rosenheim – Otto Lederer ist angekommen im neuen Amt des Landrats, das er am heutigen Samstag seit genau 100 Tagen bekleidet. Ein schlichtes Büro im vierten Stock des Neubautraktes im Landratsamt mit einem Besprechungstisch, ein paar Grünpflanzen und einem höhenverstellbaren Schreibtisch, an dem er am liebsten im Stehen arbeitet und auf den er auf keinen Fall verzichten möchte. Von hier aus wirkt der ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete als erster Repräsentant des Landkreises und seiner gut 260000 Einwohner sowie als Behördenchef von mehr als 1000 Mitarbeitern.
Kandidatur
nicht bereut
Wenn er von der herzlichen Aufnahme berichtet, die er bei seinem Amtsantritt am 1. Mai erfahren hat, prägt ein Lächeln seinen Gesichtsausdruck. Er wirkt zufrieden – nicht nur, weil er vom heimischen Ostermünchen nach Rosenheim einen deutlich kürzeren Anfahrtsweg zum Arbeitsplatz hat als in Zeiten, als dieser sich im Maximilianeum in der Landeshauptstadt befand. „Die Fahrten nach München vermisse ich am allerwenigsten“, bekennt der CSU-Politiker freimütig. Aber nicht nur aus diesem Grund habe er seine Kandidatur nicht bereut. „Sie war der richtige Schritt. Ich habe jetzt ein Amt inne, in dem ich viel gestalten und Projekte vom Anfang bis zum Ende begleiten kann“, sagt Lederer. Das Engagement und die Kompetenz seiner Mitarbeiter in allen Abteilungen hätten es ihm darüber hinaus erleichtert, in die Rolle als Behördenchef zu schlüpfen.
Freude über
erste Erfolge
Über erste Erfolge darf er sich bereits auf Verwaltungs- und auf politischer Ebene freuen. Weil ihm beide wichtig sind, nennt er die neue Homepage des Landratsamtes, die angestrebte Einführung eines Qualitätsmanagements mit Standards, die einer Zertifizierung unterzogen werden sollen, und Planungen für das Vorankommen bei der Digitalisierung der Behörde fast in einem Atemzug mit dem bisher größten Erfolg auf dem politischen Landkreisparkett: das einstimmige Votum des Kreistags am 15. Juli, mit dem dieser im Raumordnungsverfahren der Regierung von Oberbayern zum Brenner-Nordzulauf alle fünf Grobtrassen ablehnte, die die Planer der Bahn am Reißbrett entwarfen. Den Nordzulauf identifiziert Lederer als ein zentrales Thema, das ihn durch seine Amtszeit begleiten wird. Fast gebetsmühlenartig wiederholt er sein Credo, der Landkreis dürfe sich nicht auf Widerstand gegen eine Neubautrasse beschränken, sondern müsse sich in die Planungen einbringen. „Die gehen ja unabhängig von der Bedarfsfrage für ein drittes und viertes Gleis weiter, und in diesem Prozess müssen wir unsere Interessen vertreten.“
Der Landrat hält die Notwendigkeit einer Neubautrasse für nicht ganz unwahrscheinlich, sicher sagen könne man dies zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht. „Ich kenne viele renommierte Verkehrswissenschaftler, die Verkehrsprognosen für Kaffeesatzleserei halten, die über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren hinausgehen.“ Deshalb geht Lederer auch davon aus, dass erst nach Abschluss der Planung für die finale Variante einer Neubautrasse auf der Basis der dann aktuellsten Bedarfsberechnungen auf politischer Ebene entschieden wird, ob sie auch wirklich gebaut wird.
Lob für
Zusammenhalt
Geschlossenheit auf kommunaler Ebene sei da ein wichtiges Signal, um im Verfahren möglichst viele eigene Wünsche des Landkreises durchzusetzen. Ein solches habe der Kreistag mit seinem einstimmigen Beschluss gesendet. „Alle Fraktionen haben erkannt, dass dafür jede ein Stück weit über ihren eigenen Schatten springen muss“, lobt er die Form des Zusammenhalts.
Da findet der Landrat schnell eine Parallele. „Hand in Hand.“ So beschreibt er die Marschroute, wenn er auf das Verhältnis zwischen Stadt und Landkreis zu sprechen kommt. Jenes zwischen ihm und dem Rosenheimer Oberbürgermeister Andreas März bezeichnet er als „sehr gut“. Man wolle „sehr offen im Austausch“ sein, aus diesem Grund habe man auch sogenannte Stadt- und Landgespräche initiiert. Berührungspunkte gebe es genügend.
Die Weiterentwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der Romed-Klinikverbund beispielsweise – beides Bereiche, denen die Corona-Pandemie derzeit Probleme bereitet. Die Busunternehmen litten zum Teil sehr stark unter finanziellen Einbußen, einigen habe der Landkreis neben Freistaat und Bund bereits unter die Arme gegriffen. Die finanziellen Folgen der Pandemie für die vier Krankenhäuser, die Stadt und Landkreis gemeinsam betreiben, machten es dem Klinikmanagement sehr schwer, die Häuser ohne Defizit zu führen. Ohne finanzielle Hilfen des Staates sei dies eh nicht möglich. Am eindeutigen Bekenntnis des Landrats zu allen vier Krankenhaus-Standorten in Rosenheim, Bad Aibling, Wasserburg und Prien ändert dies nichts. Auch nichts am Einsatz für den ÖPNV-Ausbau, den künftig ein hauptamtlicher Geschäftsführer der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft auf fachlicher Ebene koordinieren soll. Die Suche nach einem Bewerber läuft bereits.
Lächeln wird
zum Botschafter
Lederer lässt keinen Zweifel daran, dass er zum Wohl des Landkreises in den kommenden Jahren seine guten Kontakte zur Staatsregierung nutzen wird, die er noch aus seiner Zeit als Abgeordneter hat. Um auf überregionaler Ebene politisch erfolgreich zu sein, sucht er auch den direkten Draht zu den Abgeordneten aus dem Landkreis Rosenheim. Da habe es schon Gespräche gegeben, der Austausch laufe sehr gut, betont der Landrat. Das gelte auch für die Vertreter der AfD.
Wie gut das Miteinander in Stadt und Land funktionieren kann, dafür ist für den Landrat der gemeinsame Kampf gegen das Hochwasser der beste Beweis, den es zu Beginn der Woche zu führen galt. „Da wurde ein ganz großer gesellschaftlicher Zusammenhalt spürbar, bis tief hinein in Schar der haupt- und ehrenamtlichen Rettungskräfte, die im Einsatz waren.“ Und da legt der Landrat gleich noch ein Kompliment nach. „Wir dürfen nicht nur in einer wunderbaren Region leben, sondern auch in einer, die das Sozialverhalten der Menschen lebenswert macht.“
Signal der Dankbarkeit
Da ist es wieder, dieses Lächeln in Lederers Gesicht, das nicht nur Dankbarkeit signalisiert, sondern auch zum Botschafter wird. Es kündet unverkennbar von einem Politiker, der nicht nur in seiner neuen Rolle angekommen ist, sondern bereits in den ersten 100 Tagen sichtlich Spaß an ihr gefunden hat.