Traunstein/Oberaudorf – Aus den knapp 52 Kilogramm zähflüssigen Rohopiumbreis in einem Kanister – ein in Oberbayern einmaliger Fall – hätten zehn Kilogramm reines Heroin im geschätzten Wert von jenseits einer Million Euro gewonnen werden können. Das Rauschgift gelangte dank oberbayerischen Polizeibeamten nie zu den Konsumenten. Den Drogenkurier, ein Iraner (33) aus Hamburg, verurteilte die Zweite Strafkammer am Landgericht Traunstein gestern zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren. Zudem ordnete die Kammer die Unterbringung des Täters in einer Entziehungsanstalt an. Vor Antritt der Therapie muss er vier Jahre im Gefängnis verbüßen (siehe Kasten).
1000 Euro Lohn
für die Drogenfahrt
Der 33-Jährige mit Aufenthaltstitel in Deutschland konsumierte seit Jahren Opium und hatte Schulden. Um seine Sucht weiter finanzieren zu können, akzeptierte er das Angebot eines Bekannten, für unbekannte Hinterleute gegen einen Kurierlohn von 1000 Euro plus 500 Euro für einen Mietwagen einen Drogentransport durchzuführen.
Im österreichischen Zell am See wurde Anfang Juni 2019 in Gegenwart des Angeklagten ein offensichtlich eigens angefertigter Metallkanister in einer Wanne im Kofferraum des Pkw Ford C-MAX verstaut. Der Iraner fuhr am 8. Juni los. Die Fahrt endete mit einer Kontrolle der Bundespolizei am Grenzübergang Oberaudorf.
Der genau 51,939 Kilogramm schwere, stark nach Essig riechende Inhalt des Kanisters gab zunächst Rätsel auf. An zwei Auslassstellen des Gefäßes schlugen Drogenschnelltests an, nicht aber bei dem zähflüssigen Brei. Dazu erläuterte Vorsitzender Richter Erich Fuchs in der Urteilsbegründung: „Zunächst war nicht bekannt, worum es sich bei der Flüssigkeit handelt. Erst dachten die Ermittler an Sprengstoff. Dieser Verdacht hat sich nicht bestätigt.“
Der 33-Jährige wurde damals aus der Untersuchungshaft entlassen, jedoch erneut festgenommen, als der brisante Fund identifiziert worden war. Bei der sichergestellten Substanz handelte es sich um circa 45 Liter mit Wasser und Essig verflüssigtes Rohopium mit einem Wirkstoffgehalt von 22,1 Prozent Diacetylmorphin-Hydrochlorid. Das entsprach einer Wirkstoffmenge von 10,53 Kilogramm purem Heroin-Hydrochlorid.
Im Plädoyer nahm Staatsanwältin Andrea Litzlbauer dem Angeklagten nicht ab, ob des geringen Kurierlohns von einer weitaus geringeren Menge Rauschgift ausgegangen zu sein. Dass der 33-Jährige selbst mit den Drogen handeln habe wollen, sei nicht nachweisbar. Vor allem wegen der „riesigen Menge“, aus der Heroin mit einem Marktwert von deutlich über einer Million Euro gewonnen hätte werden können, beantragte die Staatsanwältin 13 Jahre sechs Monate Haft. Bezüglich einer Unterbringung zum Entzug seien zwar ein Hang, eine Hangtat und eine hohe Wiederholungsgefahr zu bejahen. Wegen der mangelnden Sprachkenntnisse sei ein Therapiererfolg jedoch zu verneinen, somit keine Unterbringung anzuordnen.
Widerspruch zum Punkt „Unterbringung“ kam vom Verteidiger Dr. Kai Wagler aus München. Sein Mandant spreche „natürlich deutsch“, auch wenn er vor Gericht einen Dolmetscher habe. Während des Vorwegvollzugs könnten zudem Sprachbarrieren ausgeglichen werden.
Angeklagter
beteuert seine Reue
Der Anwalt weiter: „Der Angeklagte ist nach Deutschland gekommen, weil er hier sein Leben gestalten möchte.“ Eine Therapie werde wahrscheinlich etwas länger als üblich dauern. Deshalb solle auf einen Vorwegvollzug eines Strafteils verzichtet werden. Dr. Wagler forderte neben der Unterbringung lediglich fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe. Im „letzten Wort“ beteuerte der 33-Jährige seine Reue: „Ich bin nicht hierher gekommen, um eine Straftat zu begehen. Ich dachte, ich könnte meiner Mutter etwas Geld schicken und für mich Drogen kaufen.“
Die Zweite Strafkammer befand den Iraner der unerlaubten Einfuhr von und Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln schuldig, jeweils in nicht geringer Menge. Wie die Vorredner rechnete Vorsitzender Richter Erich Fuchs das Geständnis und das bislang vorstrafenfreie Leben positiv an. Negativ wirkten die gewaltige Menge Heroin sowie das erhebliche Gefahrenpotenzial dieser Droge mit hohem Risiko für die Konsumenten.