Ein Mensch und keine Maschine

von Redaktion

Zwischen Himmel und Erde

Mehr durch Zufall erfahre ich vom Tod meines ehemaligen Geigenlehrers, der in einer anderen Stadt beerdigt wurde. Meine Erinnerungen wandern jetzt Jahrzehnte zurück zu einem gutmütigen Mann, der immer wieder gnädig und gütig darüber hinwegsah, wenn ich in der Geigenstunde meine Etüden nicht spielen konnte.

Irgendwann am Beginn eines neuen Schuljahres wurde mir ein neuer, junger und dynamischer Geigenlehrer zugeteilt. Aber die Freude währte nur 14 Tage, denn dieser verwendete im Unterricht ein sogenanntes Metronom.

Noch heute habe ich den lauten Pendelschlag dieses grausamen Geräts im Ohr, das unbarmherzig den Takt vorgab und dem ich oft nur mühsam „hinterhergeigen“ konnte. Aus mir wäre so oder so keine Konzertgeigerin geworden, aber das Metronom hat mir endgültig die Lust am Geigespielen genommen.

Mir ist der Sinn dieses Geräts durchaus klar, denn in einem Orchester kann auch nicht jeder Musiker nach einem eigenen Rhythmus spielen.

Aber mit dem Dirigenten steht zumindest ein Mensch vorn am Pult, der den Takt zwar auch für alle verbindlich vorgibt, diesen aber nach seinem Gespür und seiner Interpretation eines Werks doch verändern kann.

Unser menschliches Herz ist Gott sei Dank auch kein Metronom. Es schlägt schneller und höher, wenn wir einem Menschen begegnen, der uns etwas bedeutet.

Wieder muss ich an meinen verstorbenen Geigenlehrer denken. Er erschien mir damals als Schülerin irgendwie nicht besonders spannend, aber er war ein Mensch und keine Maschine – und er hatte das Herz am rechten Fleck.

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