Rosenheim – Dirk Lux steht auf einer Leiter neben seinem blauen Sprinter und zurrt die Gurte fest, mit denen er die beiden Kajaks – ein rotes und ein grünes – auf dem Dach des Autos befestigt hat. Er schiebt zwei Paddel in den Innenraum des Busses und schließt die Tür. Unserer Kajakfahrt steht damit nichts mehr im Weg.
Dirk Lux aus Rosenheim ist für heute mein TourGuide. Der 60-Jährige hat jahrzehntelange Erfahrung als Kajakfahrer. Zudem organisiert er mit dem Kajak-Club jedes Jahr das Drachenbootrennen auf der Mangfall. Eigentlich wollten wir auf der Tiroler Ache „Wildwasser fahren“. Doch daraus wird nichts. Der Fluss ist wegen der Laichzeit der Fische abschnittsweise für Wassersportler gesperrt.
Arme im
90-Grad-Winkel halten
Die Alternative: der Hammerbach. Er fließt aus dem Mangfallkanal bei Rosenheim, mündet in die Rott, die wiederum beim gleichnamigen Dorf in den Inn einspeist. Wir fahren gemeinsam in die Nähe von Pfaffenhofen, laden die Kajaks aus und machen uns bereit.
Lux weist mich ein. Er erklärt genau, wie ich das Paddel halten soll: die Arme im 90-Grad-Winkel und symmetrisch. Die Kraft soll außerdem nicht nur aus den Armen, sondern auch aus den Schultern kommen. „Du musst mit dem Oberkörper rotieren“, sagt er. Klingt schlüssig, denke ich noch.
Ich zwänge mich in das Kajak, stoße mich vom Ufer ab und ziehe los. Weit komme ich nicht, höchstens fünf Meter. Dann zieht mein Kajak ein wenig nach links zum Gebüsch hin. Was hat Lux mir vor wenigen Momenten noch gesagt? Wenn es mal ein wenig schaukelt, bloß nicht hektisch werden. Was mache ich? Ich werde hektisch.
Anscheinend sehe ich das näherkommende Schilf als ernsthafte Gefahr für mein Leben. Also mache ich das, was in dieser Situation sinnvoll ist. Ich kippe aus dem Kajak und falle mit dem Kopf voran ins kühle Wasser. Peinlich berührt tauche ich auf und ziehe irgendwelches Grünzeug aus meinem T-Shirt – und muss dann erst mal laut loslachen.
Lux lässt sich davon nicht beeindrucken, sondern hilft mir samt meinem Kajak geduldig zum Ufer zurück. Er leert das Wasser aus dem Boot. Ich steige wieder ein und versuche erneut mein Glück. Langsam gelingt es mir, das Kajak unter Kontrolle zu bringen. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, dass wir nicht gleich die Tiroler Ache und das Wildwasser genommen haben, denke ich.
Neben mir gleitet Lux vor sich hin und verschüttet mit seinem Paddel kaum einen Tropfen Flusswasser. Ich hingegen spritze mich ständig an. Zu meiner Verteidigung: Mein Tour-Guide ist kein Anfänger. Er ist seit 50 Jahren auf Seen, Flüssen, Meeren und sonstigen Gewässern unterwegs. „Mir gefällt, dass der Sport so facettenreich und vielfältig ist“, sagt er. Lux hat das Kajakfahren lange Zeit als Leistungssport betrieben. Er war Teil des Kaders der deutschen Kajak-Nationalmannschaft.
Sein Hobby hat er später mit dem Drachenboot- und Kajak-Eventunternehmen Outdoor Lux zum Beruf gemacht. Er organisiert für Firmen Ausflüge mit seinen Booten. Im Sommer sind es um die 50 Events. Wegen der Corona-Krise sind beinahe alle ausgefallen. „Nebenbei“ leitet Lux in einer Softwarefirma den internationalen Vertrieb. „Eine gute Sache hat Corona“, sagt er. „Ich komme öfter zum Kajakfahren.“
Elegant um die
Bäume herum
Deshalb kann er sich auch mit mir auf dem Hammerbach herumtreiben. Während ich dort versuche, so zu wirken, als wüsste ich, was ich tue, fährt er voraus. Er schiebt sich dabei elegant um Bäume und Äste herum, die aus dem Wasser ragen. Über die Schulter ruft er mir zu, dass ich an diesen Stellen vorsichtig sein soll.
Die Natur um uns herum wirkt unberührt, manchmal richtig verwildert. Bäume, Sträucher, Gestrüpp, abgebrochene Holzstücke und Sträucher – sehr viele Sträucher – säumen das Ufer. Nicht viele kennen diese Strecke, sagt Dirk Lux. Es ist still und friedlich.
Ein Angler macht
Fotos von uns
Nach etwa einer Stunde treffen wir einen Mann, der hinter Gebüschen verborgen am Ufer steht und angelt. Mein Begleiter fragt ihn, ob er Fotos von uns machen kann. Das kann er, und so wenden wir mit unseren Kajaks und halten unsere Gesichter in die Sonne. Dann gleiten wir weiter. Neben uns taucht der Inndamm auf. Der Fluss ist an dieser Stelle 30 bis 40 Meter von uns entfernt.
Wir nähern uns der Inn-Staustufe, wo wir aussteigen. Gut eineinhalb Stunden und zwölf Kilometer später, nachdem ich meine Inkompetenz in Sachen Gleichgewichtsgefühl bewiesen und im Hammerbach gebadet habe.
Meine Schultern und Hände schmerzen von den ungewohnten Bewegungen. Doch Dirk Lux hält mich offenbar nicht für einen völlig hoffnungslosen Fall – er verspricht, dass wir das nächste Mal im Wildwasser fahren. Mal sehen, wie oft ich dann baden gehe.