Der Schattendoktor

von Redaktion

Wer war der Epo-Kurier? Staatsanwalt entlastet Mediziner aus Region

Rosenheim Mark Schmidt hat gestanden, der Arzt aus Erfurt schilderte im großen Doping-Prozess vor dem Landgericht in München, wie er Athleten leistungssteigernde Mittel verabreichte. Schmidt gilt als Schlüsselfigur in einem europaweiten Doping-Netzwerk.

Währenddessen ist es um einen einstigen Mitverdächtigen, einen Arzt aus dem Landkreis Rosenheim, ruhig geworden. „Die Ermittlungen wurden eingestellt.“ Das meldet die Staatsanwaltschaft Innsbruck auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen zu den Fortschritten der Operation „Aderlass“ in der Region.

Der Mediziner (80) war im August vergangenen Jahres unter Verdacht geraten. Die Ermittler schienen ihrer Sache sicher. Der Mann, der seit 2006 als leitender Teamarzt für den Österreichischen Skiverband (ÖSV) fungiert habe, sei von geständigen Dopingsündern schwer belastet worden, sagte seinerzeit Staatsanwalt Thomas Willam in Innsbruck. Doch die Ermittler hatten sich offenbar zu weit aus dem Fenster gelehnt: Man habe nichts strafrechtlich Relevantes entdeckt, heißt es schlicht auf erneute Anfrage.

Razzia am
79. Geburtstag

Dem Mediziner, selbst begeisterter Radsportler, ist die Genugtuung anzuhören, als er über die Ermittlungen berichtet. Und über die Razzia an seinem 79. Geburtstag. 13 Beamte von Polizei und Zoll rückten an, um sein Haus im südlichen Landkreis Rosenheim zu durchsuchen. Das Ergebnis? „Die Polizisten haben alles von unterm Dachboden bis zum Keller auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden“, sagt er. „Beschlagnahmt wurden ein Laptop und ein Handy, dazu zwei alte Handys meiner Frau. Die wurden ausgelesen, aber auch da hat man nichts gefunden.“

Die Affäre hatte der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr ausgelöst. Dürr war 2014 bei den Olympischen Spielen in Sotschi des Dopings überführt worden, er wurde gesperrt, zerstritt sich mit dem Skiverband – und packte aus. In der Folge wurden reihenweise Sportler erwischt – und Mark Schmidt geriet als Strippenzieher im grenzüberschreitenden Doping-Netzwerk in den Fokus der Ermittler. Auch Teilnehmer der Tour de France sollen Geschäfte mit Schmidt gemacht haben.

Dürr berichtete den Fahndern auch erstmals von der angeblichen Verstrickung des Rosenheimer Mediziners in die unsauberen Geschäfte. Eine Angabe, die Dürrs Trainer Gerald Heigl bestätigte: Es sei der Arzt aus Oberbayern gewesen, der den Blutverdicker Epo in großen Mengen angeliefert habe. Doch der Arzt beteuert: „Mit Doping habe ich nie etwas zu tun gehabt.“

Die Ermittler wirkten damals sicher, es überrasche ihn nicht, dass es „wieder einen deutschen Arzt erwischt hat“, sagte vor einem Jahr Lars Mortsiefer, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada). Von der österreichisch-Rosenheimer Zusammenarbeit ist nicht mehr die Rede. Die Nada verweist auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen auf Gemeinplätze. Als „maßgebliche Instanz“ für den sauberen Sport gehe die Nada „kontinuierlich“ Hinweisen auf sportrechtliche Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen nach, sagt ein Sprecher der Stiftung. Soweit sich ein Verdacht erhärte, könne man tätig werden. Zu erhärten war offenbar nichts. Nach den vagen Entgegnungen von Fahndern und Ahndern darf man sagen: Der Verdacht blieb windelweich. Wer der Epo-Kurier für die Langläufer war – es bleibt vorerst im Dunkeln.

Nur ein Berater,
kein Teamarzt

Dass die Ermittler Unrat witterten, dass die Geschichte ominös bleibt, liegt auch am österreichischen Skiverband. Der hatte sich schließlich reichlich hemdsärmelig seines bayerischen Mitarbeiters versichert. 2006, er war eben 63 geworden, hatte der Pathologe seine Firma verkauft und den Ruhestand angepeilt. Doch dann habe das Telefon geläutet. Am anderen Ende der Leitung ein Bekannter: Verbandspräsident Peter Schröcksnadel: „Sag mal, willst Du Dich nicht um unser Medizin-Management kümmern?“ Das sagt der Arzt heute. Er habe „mehr mit Verwaltung“ zu tun gehabt. „Ich habe den Präsidenten beraten.“

Laut ÖSV kein
Dienstverhältnis

Berater? Das ist dann doch etwas anderes als verantwortlicher „Teamarzt“, wie offenbar jahrelang auf der ÖSV-Homepage zu lesen gewesen war. Der Arzt sei zu keinem Zeitpunkt in einem Dienstverhältnis zum ÖSV gestanden, er habe seine Tätigkeit ehrenamtlich ausgeübt, sagt heute dazu eine Verbandssprecherin.

Der Erfurter Mark Schmidt sitzt seit eineinhalb Jahren in U-Haft. Ihm und seinen Komplizen werden 150 Doping-Vergehen vorgeworfen, es droht eine lange Haftstrafe. Kurz vor Weihnachten soll das Verfahren in München abgeschlossen sein. Bis dahin gibt es viel zu klären.

Sein Kollege aus dem Landkreis Rosenheim hingegen ist beim Anruf des OVB-Reporters eben von einer kleinen Runde mit dem Rennrad heimgekehrt. „Ich lebe sehr gesund“, sagt er.

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