Kiefersfelden/Kufstein – Großer Andrang war am Wochenende bei den Corona-Teststationen in Heuberg und Hochfelln zu beobachten, nachdem Tirol erneut zum Risikogebiet erklärt worden war (wir berichteten). Weswegen gestern Morgen aus München auch zu erfahren war: Die Teststationen, deren Abbau heute beginnen sollte, bleiben wahrscheinlich. Eine Entscheidung war bis Dienstagabend nicht gefallen.
Nicht nur in der Frage der Testzentren prägt Unklarheit das Bild. Die Entwicklungen der Corona-Lage, die Reaktion von Bayern und Tirol darauf: Sie irritieren die Menschen. „Die Verunsicherung ist greifbar“, sagt Kiefersfeldens Bürgermeister Hajo Gruber. „Was man darf oder nicht, das ist das Thema, über das sich die Menschen unterhalten“.
Mehr Regeln als
Informationen
Auch bei Martin Krumschnabel auf der anderen Seite des Inns ist das ein Thema. Eigentlich hätte Kufsteins Bürgermeister für diese Woche eine Pressekonferenz im Terminkalender stehen gehabt. Zusammen mit Amtskollegen aus Tirol und Oberbayern hätte er bei den Nachbarn in Kiefersfelden der Vorstellung eines neuen Kultur-Führers für Inntal und Karwendel beigewohnt.
Es kam nicht dazu. Wegen Corona. Die Lage verschärft sich, die Zügel werden wieder angezogen. „Man hat die Pressekonferenz abgesagt“, sagt Martin Krumschnabel und lacht bitter. „Vielleicht, weil man gar nicht wusste, ob man uns Österreicher wieder rauslassen darf oder ob wir in Quarantäne bleiben müssen.“
Hajo Gruber bemängelt die offizielle Informationspolitik. „Wir als Gemeinde haben von keiner übergeordneten Stelle Infos bekommen, das ist schon ein bisserl schade“, sagt Kiefersfeldens Bürgermeister. „Ich sammle mir das halt zusammen aus der Seite vom Auswärtigen Amt, vom RKI oder aus seriösen Medien.“
Was man sicher weiß: Tirol wurde am vergangenen Freitag zum Risikogebiet erklärt. Und: Wer aus Tirol zurück nach Oberbayern will, sollte sich mit den verschärften Quarantäne-Regeln beschäftigen. Was so einfach nicht ist. Denn es gibt eine Menge Ausnahmen, von denen es wieder Ausnahmen gibt.
Am wichtigsten ist die Zwei-Tage-Regel. Menschen, die sich „weniger als 48 Stunden im Ausland aufgehalten haben“, sind von der Pflicht zur Quarantäne ausgenommen. Das steht in der Quarantäneverordnung. Voraussetzung ist allerdings, dass sie im Ausland nicht privat „an einer kulturellen Veranstaltung, einem Sportereignis, einer öffentlichen Festivität oder einer sonstigen Freizeitveranstaltung“ teilgenommen haben.
Doch was genau ist eine „Veranstaltung“? Darüber entscheidet nach Auskunft des Bayerischen Gesundheitsministeriums der Aufwand an Organisation. Die Bergwanderung: erlaubt. Die geführte Gruppenwanderung des Alpenvereins: eher nicht. Die Reitstunden beim vertrauten Lehrer in Tirol: erlaubt. Teilnahme am organisierten Skitraining in Tirol? Das nicht.
Zusammenleben
mit Hürden
Zwanglose Nachbarschaft, Austausch, grenzenloses Zusammenleben: Woran sich die Menschen gewöhnt hatten, ist während der Corona-Krise fraglich geworden. In Kufstein sitzt der Bürgermeister und grollt. Weil die Deutschen Tirol zum Risikogebiet erklärt haben und damit womöglich ruinieren, was vom Tourismusgeschäft 2020 geblieben ist.
Dabei seien die Zahlen auf niedrigem Niveau, bei nicht mal 60 Infizierten in Stadt und Bezirk, sagt Krumschnabel. „Eine entsetzliche Europapolitik ist das, so wird das Zusammenleben unmöglich“. So schimpft er. Andererseits räumt er ein: „Das mit den Reisewarnungen kam zuerst von uns in Österreich.“ Hajo Gruber ist optimistisch. „Ich kenn meine Nachbarn. Wenn die ein Problem haben, dann gehen sie schnell an die Lösung.“
Zu den offenen Fragen gehört, wie der Staat die Regeln mit Leben erfüllen will. „Manche Leute leben weiter, als ob nichts wäre, weil ja auch nicht kontrolliert wird“, hat Gruber beobachtet. Vielleicht ist das Regelwerk ja gar nicht nur als Anordnung zu verstehen, sondern als Einladung zum Nachdenken über Mobilität. Unabhängig von den Regeln empfehle die Staatsregierung, „Besuche in Risikogebieten auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.