„Die Entwicklung ist erschreckend“

von Redaktion

Die Polizei warnt vor massiv steigender Kriminalität in Online-Chatgruppen

Rosenheim – Die Sprache der Jugendlichen im Internet ist heutzutage für manche zu einem Buch mit sieben Siegeln geworden. Doch neben harmlosen Wortneuschöpfungen bietet das World-Wide-Web auch eine Plattform für Straftaten, die gemäß den aktuellen Zahlen stark zugenommen haben und gerade für junge und unerfahrene Nutzer sehr gefährlich sein können. Das Polizeipräsidium Oberbayern-Süd warnt daher vor gewaltverherrlichenden und sexualisierten Inhalten, die sich vorwiegend über Messengerdienste und soziale Medien speziell am Smartphone verbreiten.

Erschreckende Erkenntnis

Auch vor dem Landkreis Rosenheim macht die Cyberkriminalität keinen Halt. Allein im letzten Jahr wurden laut Polizei im südlichen Oberbayern 250 Ermittlungsverfahren wegen des Verbreitens von pornografischen Schriften in Whatsapp-Gruppen geführt, davon 20 im Landkreis Rosenheim. Das sind 70 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Dass die strafbaren Inhalte dabei meistens von Accounts von Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren stammen, ist für die Polizei eine erschreckende Erkenntnis.

Der Ablauf ähnelt sich dabei oftmals, wie ein aktuelles Beispiel aus Prien zeigt. Dort wurden in einer Chat-Gruppe von Schülern einer neunten Jahrgangsstufe immer wieder Bilder gepostet, die pornografische Inhalte oder Hakenkreuze zeigten. Ein Schüler aus der Gruppe meldete den Vorfall gemeinsam mit seinen Eltern. Die Konsequenzen waren die Sicherstellung der Smartphones aller Beteiligten der Chatgruppe, aufgelöste Eltern und Lehrer, sozialtherapeutische Betreuung und teils traumatisierte Schüler. Für den Hauptverbreiter folgten laut Polizei milde disziplinarische Maßnahmen nach dem Jugendschutzgesetz. Er wurde dazu verpflichtet, die Gedenkstätte des KZ Dachau zu besichtigen und an einem Jugendaufbauprogramm teilzunehmen.

Smartphones fest
im Alltag verankert

Den Grund für die steigenden Zahlen sieht der Pressesprecher der Polizei Oberbayern, Alexander Huber, in dem sorglosen Umgang mit den Handys: „Die Kommunikation in der Freizeit unter Jugendlichen findet größtenteils über das Internet, im Speziellen über das Smartphone statt. Eine Chatgruppe lässt sich hierfür grundsätzlich ohne großen Aufwand und vor allem schnell erstellen.“ Laut einer Studie des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest besitzen 98 Prozent der Jugendlichen ein Smartphone und nutzen dieses zu 96 Prozent mehrmals am Tag. Durch die einfache Zugänglichkeit der sozialen Medien hat die Polizei laut eigener Angabe keine Übersicht über die Erstellung von Chat-Gruppen mit rechtswidrigen Inhalten und kann daher wenig dagegen tun. Die Beamten gehen davon aus, dass die Zahl der Straftaten deshalb noch deutlich höher liegt, als die Zahl der Ermittlungsverfahren belegen.

Sensibilisierung soll das Problem lösen

Einen radikalen Eingriff in die Freiheiten des Internets sieht die Polizei dennoch nicht als sinnvoll an, solange man gewisse Grundregeln beherzigt. „Die Nutzung von digitalen Kommunikationsplattformen ist grundsätzlich eine praktische und bereichernde Sache. Man muss allerdings an einen verantwortungsvollen Umgang appellieren und die Kinder und Jugendlichen bereits frühzeitig auf mögliche Gefahren aufmerksam machen“, mahnt Huber.

Um Schüler für diese Thematik zu sensibilisieren, plant die Polizei, zusammen mit den Jugendbeamten der örtlichen Polizeiinspektionen Vorträge an weiterführenden Schulen zu halten.

Die Schüler sollen in den geplanten Fortbildungen darauf hingewiesen werden, welche Gefahren das Internet bietet und wie man sich explizit dagegen schützen kann. „Wir wollen den Jugendlichen in unserem Programm „Sei gscheit“ zeigen, dass Handlungen im Internet, wie auch im echten Leben, weiterreichende Folgen haben können“, erklärt Huber.

Wann genau diese Schulungen stattfinden sollen, steht aufgrund der aktuellen Corona-Situation allerdings noch nicht fest.

Das empfiehlt die Polizei

• Misstrauisch sein

• Einstellungen bearbeiten

• Wirkung der eigenen Nachrichten bedenken

• Nicht mit fremden Leuten aus einem Chat treffen

• Vorkommnisse melden (an Eltern, Lehrer, Polizei)

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