Rosenheim – Die Inzidenzzahlen steigen, die Zahl der Patienten auch. Elf Menschen werden Stand Donnerstagnachmittag im Klinikverbund behandelt, davon einer intensiv. Insgesamt aber sehen sich die Romed-Kliniken in Stadt und Landkreis Rosenheim für ein Wiederaufflammen der Corona-Pandemie gerüstet.
„Damals hat uns die Welle überrollt“, sagt der Romed-Pandemiebeauftragte Dr. Hanns Lohner über März und April. Ende des Jahres werde das nicht mehr geschehen: „Der Anstieg wird weitergehen, aber es ist nicht mit dem Frühling zu vergleichen.“ Lohner fasst für den Herbst 2020 zusammen: „Wir sind ungleich besser aufgestellt.“
Krisenrunde in
der Videokonferenz
Die Stadt Rosenheim ist in Deutschland schon lange nicht mehr Spitzenreiter, die Covid-19-Landkarte des Robert-Koch-Instituts färbt sich vielmehr allenthalben rot. Dessen ungeachtet steigen die Zahlen auch in der Region stark an, genauer: die Zahlen der Sieben-Tages-Inzidenz, des Index‘ der Neuansteckungen innerhalb einer Woche also, hochgerechnet auf 100000 Einwohner. Die Stadt bewegt sich stramm der Marke 100 entgegen.
Immerhin bleibt der Verlauf in vielen Fällen mild. „Die Inzidenz beschäftigt uns seit vielen Wochen“, sagt Jens Deerberg-Wittram, Geschäftsführer der Romed-Kliniken. „Aber sie schlägt nicht durch.“ Zumindest nicht in einer Wucht, die den Klinikverbund an die Grenze bringt. Die Anzahl der Fälle liegt mit elf zwar deutlich über den Zahlen, an die man sich den Sommer über gewöhnt hatte. „Bis Ende September waren es nie mehr als drei“, sagt Deerberg-Wittram. Aber von einer Überforderung ist der Klinikverbund weit entfernt.
Dabei sagt die bloße Zahl der Patienten wenig über die Härten im Einzelfall aus. Vor zehn Tagen starb ein Patient, der aus einem anderen Landkreis auf die Intensivstation im Romed-Klinikum gebracht worden war. Ein anderer Patient ist von der Intensivstation in Rosenheim zur Behandlung an einer Herz-Lungen-Maschine nach Großhadern gebracht worden – zur einer sogenannten Ecmo-Therapie. Das ist die äußerste Stufe der Intensivbehandlung, vorgesehen für Menschen mit schwerer Lungenschädigung.
Angesichts der wachsenden Zahl an Infektionen steigt auch der Abstimmungsbedarf. Hanns Lohner und seine Mitstreiter – Pandemiebeauftragte anderer Kliniken in der Region – nahmen bereits in der vergangenen Woche ihre regelmäßigen telefonischen Beratungen wieder auf, das erste Mal seit dem offiziellen Ende des Katastrophenfalls Mitte Juni. Dr. Michael Städtler moderiere die Runde, sagt Lohner. Städtler war seinerzeit ärztlicher Leiter der Führungsgruppe im Katastrophenfall in den Landkreisen Rosenheim und Miesbach. Den K-Fall hat man eben noch nicht. Aber vorbereitet will man sein.
Mehr Material als
bei der ersten Welle
Ein Unterschied zu März und April: Seinerzeit war Improvisationstalent gefragt, es drohten Engpässe etwa bei Schutzausrüstung. Dagegen haben sich die Romed-Kliniken gewappnet: Ein Pandemielager wurde eingerichtet. Ein hoher Aufwand: Man sei angehalten, Material für sechs Wochen zu bunkern, sagt Deerberg-Wittram, ausgehend vom Höchstbedarf während der ersten Welle.
Das kostet. Wer dafür aufkommt, ist nicht klar. Freistaat und Bund zeigten sich nach Auskunft von Romedzögerlich. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass Stadt und Landkreis auf den Kosten von über drei Millionen Euro sitzenblieben, die schon während der ersten Welle aufgelaufen sind.
Dessen ungeachtet plant man für längere Zeit, sagt Hanns Lohner, bis zum Frühjahr werde die Pandemie die Menschen sicherlich beschäftigen. „Es sind keine dramatisch neuen Medikamente in Aussicht.“ Man kompensiere das mit Routine und Wissen: „An Erfahrung haben wir deutlich zugelegt.“
Auch die Abläufe seien klarer geregelt und verinnerlicht. Intensivpatienten will man künftig früher in andere Kliniken verlegen, sagt Lohner, um die Kapazitäten des Anlaufpunkts Rosenheim zu erhalten.
Material und Maschinen stehen bereit. Wie sieht es in den Menschen aus? Jens Deerberg-Wittram blickt auf die Kräfte, die Krankenhäuser am Laufen halten. Vor allem Pfleger und Ärzte. Die seien großteils ausgelaugt gewesen, sagt er. „Das Hauptproblem ist, dass die Menschen noch nicht in die Normalität zurückgekehrt sind.“
Im Extremfall werde man versuchen, wie vor einem halben Jahr an Freiwillige zu appellieren, etwa an Studenten. Aber das könnte schwierig werden. Einspringen, in einer solchen Notlage – das mache man einmal, aber das zweite Mal werde schon schwer, sagt der Geschäftsführer. Kurz: „Die Haut ist dünn.“