Sandro(16) kämpft sich zurück ins Leben

von Redaktion

Schonstetter nach Hechtsprung querschnittsgelähmt – Verein sammelt Spenden

Schonstett/Murnau – Es sollte für Sandro Halfter ein ausgelassener Nachmittag zum Feiern werden und geriet zum Albtraum: Mit den Kumpels von der Realschule wollte der 16-jährige Schonstetter am 8. Juli an der Staustufe bei Sunkenroth ein Lagerfeuer machen, baden und Spaß haben – die Abschlussprüfungen waren endlich vorbei. Doch ein Hechtsprung in den Inn veränderte sein Leben dramatisch. Der sportliche junge Mann kam mit dem Kopf auf einem Felsbrocken auf und ist nun querschnittsgelähmt.

Bewusstlos blieb Sandro im Wasser liegen. Seine Freunde zogen ihn aus dem Fluss und setzten den Notruf ab. „Der Sandro ist ins Wasser gesprungen, er hat eine Kopfwunde, wir haben den Krankenwagen gerufen“, erinnert sich Sandros Vater Bernhard Tasser (38), als sein Handy damals klingelte. Zunächst habe er an eine unruhige Nacht in der Notaufnahme gedacht, doch dann sickerte allmählich durch, dass es hier um Schlimmeres ging.

Achtstündige Operation

Der Rettungshubschrauber brachte den Schwerstverletzten ins Romed-Klinikum Rosenheim, wo er in einer achtstündigen Operation stabilisiert wurde, wie Tasser im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen berichtet. Der fünfte Halswirbel war gebrochen, das Rückenmark schwer geschädigt.

Die Sorge um seinen Sohn, der aus einer früheren Beziehung mit Jugendliebe Kerstin Halfter stammt, steht ihm ins Gesicht geschrieben – und auch um die finanzielle Absicherung seiner Familie. Das Haus in Schonstett ist noch nicht abbezahlt und muss nun für sehr viel Geld behindertengerecht umgebaut werden.

„Jetzt haben wir dann zwei Kinder mit einer besonderen Herausforderung zu Hause. Ich hab Schiss vor der Zukunft, wie sollen wir das alles bewältigen?“, sagt Tasser, der im Vertrieb in einem Konzern arbeitet. Sein kleiner „Sonnenschein Rosalie“ ist vor zweieinhalb Jahren völlig überraschend mit Down-Syndrom zur Welt gekommen (wir berichteten). „Meine Frau Nina und ich haben uns gut mit der Situation zurechtgefunden und verfolgen den Anspruch, die Kleine bestmöglich aufs Leben vorzubereiten. Wir fühlten uns bereit, unsere Familie zu erweitern, Nina ist im siebten Monat schwanger.“

Ausbildung im
Visier gehabt

Und jetzt kommt dieser Schicksalsschlag oben drauf. Dabei wollte Sandro kurz nach seinem Schulabschluss eine Lehre als Mechatroniker anfangen.

Immer wieder schweifen die Gedanken seines Papas zu dem verhängnisvollen Tag an der Staustufe ab. „Sie hatten gegen 4 Uhr nachmittags schon zusammengepackt, da sagte Sandro: „Ich spring nochmal.“

Bernhard Tasser und Sandros Mutter Kerstin warteten die ganze Nacht über die OP ab und erfuhren dann am nächsten Tag, dass ihr Bub zwar außer Lebensgefahr ist, er aber querschnittsgelähmt bleiben wird. Als sein Vater die für alle niederschmetternde Nachricht erhielt, mischten sich Wut mit Traurigkeit und Verzweiflung. Er schrie seinen Schmerz heraus. „Da bricht eine Welt zusammen. Ich glaube, man hat mich in ganz Rosenheim gehört in dieser Nacht“, sagt Tasser. Sandro schlief zur selben Zeit im künstlichen Koma.

Seit 14 Wochen kämpft er sich seither in der Unfallklinik in Murnau zurück in ein neues Leben. Hier ließ man ihn langsam aus dem Koma aufwachen. Sandro erhielt starke Schmerzmittel, die langsam reduziert wurden. Da er beatmet worden war, musste er erst wieder lernen, selbstständig Luft zu bekommen. „Das klappt jetzt zu 100 Prozent gut. Sandro atmet eigenständig“, erzählt sein Vater.

Leider habe sich die erste Diagnose bestätigt, Sandro hat einen inkompletten Querschnitt erlitten. Seine Hände kann er aktuell nicht bewegen, dennoch besteht Hoffnung, dass die Hand- und Fingermotorik wieder zurückkehren könnte, mit einem intensiven Training.

Derzeit bekommt er Physio-Einheiten in Murnau, wo er in seinem Rollstuhl sitzend übt, etwa eine Zahnbürste in einer leicht geöffneten Faust halten zu können. Oder Besteck, oder vielleicht Werkzeug. „Der Sandro ist ein Tüftler und liebt das Basteln mit Elektronikteilen“, erklärt sein Vater.

Muskulatur
aufbauen

„Erst war er in der Stabilisierungsphase, nun kommt die Mobilisierungsphase, er muss wieder Muskulatur aufbauen“, berichtet er weiter. Und dann gibt es auch die Zustände, die das Gemüt betreffen: „Zwischen mutigem Annehmen der Realität, und dem Betrübtsein, über entgangene Möglichkeiten, die ihm nun versagt bleiben.“

Außerdem hat der 16-Jährige auch gesundheitliche Rückschläge wie Fieber oder Kreislaufprobleme, die ihm immer wieder zu schaffen machten, wegstecken müssen.

Darüber hinweg helfen Sandro Freunde und Freundin, die gerne die zwei Stunden Fahrt nach Murnau auf sich nehmen. Und seine Mutter Kerstin, die zwischenzeitlich nach Murnau gezogen ist.

Die Eltern machen zugleich Pläne, um in Schonstett dem Sohn ein Leben in Selbstständigkeit bieten zu können, wenn er in den nächsten Monaten zurückkommt. Dazu sind viele Umbauten und Anbauten nötig, ein weiteres Zimmer, damit er ein eigenes Reich im Haus erhält: stufenfreie Eingänge, verbreiterte Durchgänge, Lift, barrierefreies Bad. 75000 bis 100000 Euro werden hier laut Handwerkerangeboten wohl nötig sein.

Außerdem soll ein Intensivtraining in einer privaten Reha-Einrichtung ihm zu mehr Mobilität und Eigenständigkeit verhelfen. Durch intensives Training könnte das Gefühl in den Händen und Fingern zurückkommen, sodass Sandro vielleicht am Computer arbeiten kann, hofft Bernhard Tasser.

Auch das täglich acht Stunden dauernde Training in zwei Blöcken mit je sechs Wochen kostet ein Vermögen, hierfür fallen Kosten in Höhe von rund 135000 Euro an. Das sind Summen, die die Familie nicht hat. „Wer kann so etwas schon aus dem Stegreif stemmen?“, fragt der Familienvater verzweifelt. Darum hoffen er und seine Ex-Frau Kerstin auf Unterstützung. Eine Welle der Solidarität begegnet ihnen in ihrem Dorf. Das, und auch die Hilfe, die ihnen unter anderem durch den gemeinnützigen Wasserburger Verein „Schellen Sau“ zuteil wird, macht ihnen Mut.

Marathons für
den guten Zweck

Die Helfer sammeln meist durch Radl- oder Spinningmarathons in der Region von Wasserburg Spenden für Kinder und Jugendliche, die mit Schicksalsschlägen zu kämpfen haben.

Wer im konkreten Fall helfen möchte, findet die Kontoverbindung unter www.schellen-sau.de, der Verwendungszweck lautet „Sandro“.

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