Rosenheim – Ist der Corona-Test positiv oder negativ ausgefallen? Eine eindeutige Antwort sollte eigentlich der Bescheid vom Testzentrum auf der Loretowiese liefern. Doch stattdessen übermittelt die zuständige Firma Eurofins LifeCodexx GmbH eine Reihe molekularbiologischer Fachbegriffe, ausschließlich in englischer Sprache. Wer auf diesem Gebiet nicht sattelfest ist, hat seine liebe Mühe, zu entziffern, ob er corona-positiv ist oder nicht. Die Verwirrung ist entsprechend groß.
Das Schreiben
wird zum Ratespiel
So auch bei einem 38-jährigen Rosenheimer, der sich an die OVB-Heimatzeitungen wandte. Als Reiserückkehrer hat er sich in das Testzentrum begeben, das Ergebnis kam innerhalb von 24 Stunden. Beim Öffnen des Briefs sei er stutzig geworden. Bis auf die Anschrift war alles auf Englisch. „Für mich ist das kein Problem, aber wie soll es den älteren Menschen gehen?“ Außerdem gab es noch eine Reihe ihm unerklärlicher Zahlen. Nach kurzem Suchen musste er feststellen: Sein Testbescheid war ungültig. Der Rosenheimer ist überzeugt: Der Bescheid sollte nicht zum Ratespiel werden.
Doch wer steckt hinter dem englischen Wirrwarr? Die Laboranalyse stammt von der Firma Eurofins, eines der weltweit größten Bioanalytik-Unternehmen mit Hauptsitz in Luxemburg, die das Testzentrum an der Loretowiese betreibt. Eurofins ist Weltmarktführer im Bereich Lebensmittelanalytik und Marktführer in Europa. Der Bescheid wurde allerdings von einem Labor in Konstanz verschickt. Für eine Stellungnahme war die Firma nicht zu erreichen.
Das Rosenheimer Gesundheitsamt verweist auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen an die Stadt Rosenheim. Dort teilte eine Sprecherin mit, dass sich die Stadt nicht in der Verantwortung sieht. „Auftraggeber des Testzentrums ist der Freistaat Bayern.“ Hans Meyrl, städtischer Leiter der Corona-Koordinierungsgruppe, schließt sich der Stadt an: „Wir sind nicht Herr der Angelegenheit.“ Als er erstmals einen dieser Bescheide gesehen habe, sei er selbst überrascht gewesen.
Eine Antwort liefert das Bayerische Innenministerium: „Grund dafür ist, dass sich die Firma Eurofins zunächst als für die Testungen an den Autobahnen beauftragtes Labor an den Bedürfnissen des internationalen Reiseverkehrs orientiert hat.“ Allerdings arbeite Eurofins derzeit an der Erstellung der Bescheide in deutscher Sprache. Künftig solle das Ergebnis nicht nur in deutscher Sprache angezeigt werden, sondern zusätzlich in englischer Sprache.
Abgesehen davon, so das Ministerium, seien Englischkenntnisse keine Frage des Alters und die Aussage „negative“ werde auch von vielen Menschen ohne umfassende Kenntnisse zutreffend interpretiert. Betroffene sollten, falls nötig, im Bekannten- und Familienkreis um Unterstützung zur Übersetzung in die deutsche Sprache bitten. Das Bayerische Gesundheitsministerium empfiehlt auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen lediglich, Betroffene sollten sich „an den Hausarzt des Vertrauens zu wenden“.
Bei den Ärzten aus der Region stößt diese Aussage auf Unverständnis. Dr. Nikolaus Klecker, Bezirksvorsitzender im Bayerischen Hausärzteverband und Allgemeinarzt in Rosenheim, findet: „Es wird immer alles auf uns abgeschoben. Als wäre es selbstverständlich, dass wir das kostenfrei machen.“
Derselben Ansicht ist Dr. Florian Bonke mit Praxis in Flintsbach. Auch ein Hausarzt könne nicht auf die Schnelle die molekulargenetischen Begriffe erklären. Dabei wäre es leicht, eine verständliche Vorlage zu erstellen. Er ist sich sicher: „Aktuell wäre der Bescheid auch auf Deutsch kaum zu verstehen.“ Mit einem ungültigen Bescheid hätten ihn bereits einige Patienten aufgesucht. „Dieser Bescheid erzeugt Unsicherheit.“
Hausärzte finden drastische Worte
Dr. Fritz Ihler, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands Rosenheim, findet drastische Worte: „Bei dem Geld, was das Ganze kostet, könnte man schon erwarten, dass es auch verständlich ist.“ Für Dr. Otto Steiner mit Praxis in Prien ist die Aussage des Ministeriums inakzeptabel. „Wenn die Hausarztpraxis geschlossen hat und die Bürger keinen Ansprechpartner haben, wächst die Angst.“