Rosenheim/Brannenburg – Heimat, Zuhause, ganz persönliche Wohlfühl-Oase: Das ist das Haus Christophorus in Brannenburg für die 13 Buben und Mädchen, die dort wohnen. Mehr noch, das Haus ist für sie ein Segen.
Das gilt für Teenager wie Jana (15) ebenso wie für den Erstklässler Fabian (7) oder Nael (2), den Kleinsten. Auf der ganzen Welt gibt es keinen besseren Platz für sie. Nirgendwo sonst sind sie so gut aufgehoben wie im Christophorus-Haus. Nirgendwo sonst können sie ihre Tage trotz schwerster Beeinträchtigungen mit so viel Leben füllen. Nirgendwo sonst gibt es, in guten wie in schlechten Zeiten, die passende Sonderbehandlung – und stets eine Überdosis Wärme, Geborgenheit und Zuneigung dazu.
Warum das so ist? Das ist eine lange Geschichte. Niemand kennt sie besser als Alexandra Huber (53), seit 32 Jahren dabei, erst als Mitarbeiterin, seit sechs Jahren als Leiterin des Hauses. Zusammen mit ihrem 70-köpfigen Mitarbeiterteam begleitet sie junge Menschen mit schwersten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen schon seit Jahrzehnten: „Viele kamen als Kinder zu uns, durften mit uns wachsen und haben jetzt auch im Erwachsenenalter ihren Platz an unserer Seite.“
Streicheleinheiten
und viele Profis
Die Christophorus-Kinder leiden an komplexen, fortschreitenden oder seltenen Krankheiten. Die einen gehen zur Schule, die anderen nicht. Manche können weder sehen, hören, sprechen oder schlucken. Hinzu kommen akute Krisen wie Epilepsien, Fieberschübe oder Herzrhythmus-Störungen.
Da ist es nur mit Streicheleinheiten nicht getan. Darüber hinaus brauchen die Kinder ein speziell auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Netz, geknüpft von absoluten Profis, in das sie möglichst weich fallen können.
Und Profis gibt es genug: Neben Alexandra Huber samt Team unter anderem Dr. Christian Brückmann, den Kinderarzt, oder Professorin Dr. Monika Führer, die Leiterin des Kinderpalliativzentrums der LMU in München. Hinzu kommen die vielen externen Kräfte wie Krankengymnasten, Logopäden, Ergo-, Reit- und Musiktherapeuten.
Für sie alle gilt: Erfahrung macht den Meister. So ist etwa Dr. Brückmann schon seit 29 Jahren für seine jungen Patienten da, auch mitten in der Nacht, wenn es sein muss. Julia – 2009 als Zwölfjährige ins Haus eingezogen, heute eine junge Frau mit 23 – hat ihre Eltern früh verloren. Aber sie stand nicht lange allein da. Brückmann ist jetzt ihr gesetzlicher Betreuer. Mehr Fürsorge geht nicht.
Hinzu kommt der medizinische Fortschritt. Alexandra Huber erinnert sich noch an den Tag, als die herkömmlichen, ständig verrutschenden Nasensonden von modernen PEG- oder PEJ-Magensonden ersetzt wurden. Plötzlich gehörte das ständige Prüfen, Herumzupfen oder Neulegen der Sonde der Vergangenheit an. Eine wunderbare Sache für die Kinder: „Wenn mich meine Betreuerin jetzt auf den Schoß oder in den Arm nimmt, dann nur deshalb, damit ich ihr und sie mir nah sein kann – und nicht, weil ich eine notwendige und oft schmerzliche Prozedur über mich ergehen lassen muss“, versetzt sich Huber in ihre Gedankenwelt.
So wächst das Haus mit den Aufgaben und Anforderungen. Dann kommt Anfang 2017 der Anruf aus München, vom Palliativteam der LMU München. Dort liegt ein einhalbjähriger Bub, stationär. Im Haus Christophorus wäre er womöglich besser aufgehoben, meinen die Ärzte.
Ein nettes Kompliment, aber kann das Haus die Vorschusslorbeeren auch erfüllen? Alexandra Huber und ihre Mitarbeiter zerbrechen sich den Kopf. Um dem kleinen palliativmedizinisch betreuten Patienten ein Zuhause geben zu können, müssen sie einen Spagat hinlegen: vom heilpädagogisch-pflegerischen Haus hin zum multi-medizinischen Kompetenzzentrum.
„Das Haus leistet großartige Arbeit“
Es gibt Zweifel, aber letztlich ist die Antwort: „Ja, wir schaffen das!“ Und so zieht der Bub nach Brannenburg – und das Haus wird noch einzigartiger. Drei Jahre später schwärmt Prof. Dr. Monika Führer vom LMU-Kinderpalliativzentrum: „Es ist erstaunlich und großartig, was im Haus Christophorus geleistet wird. Dem Buben geht es inzwischen so gut, dass wir uns zurückziehen und die palliativmedizinische Versorgung einstellen konnten.“