Der Glanz des Ruhms und der Horror des Kriegs

von Redaktion

Vor 220 Jahren stießen in der Region die Armeen Frankreichs und der verbündeten Baiern und Österreicher aufeinander. Der französische Triumph veränderte die Landkarte Europas. Die Kosten aber trugen die Menschen, die in Geschichtsbüchern nicht mal für Fußnoten taugen.

Maitenbeth/Rosenheim – Man schrieb den 3. Dezember 1800. Frostig war es, im Schneegestöber verloren die Akteure immer wieder die Sicht. Seit den frühen Morgenstunden kämpften in ausgedehnten Waldgebieten und an den Rändern des Großhaager Forstes, bei Hohenlinden und bei Maitenbeth, Zehntausende Soldaten. Franzosen unter ihrem Kommandeur Jean-Victor Moreau, einem politischenRivalen Napoleons, traten gegen die verbündeten Österreicher und Bayern an.

Es war das entscheidende Treffen in all den Wochen, in denen zwischen Isar und Inn um die Zukunft Europas gekämpft wurde. Gegen drei Uhr nachmittags war diese Schlacht entschieden – weil in Maitenbeth französische Truppen unvermittelt im Rücken der anmarschierenden Verbündeten angriffen.

Moreau setzte
auf hohes Risiko

Mit dem Umfassungsmanöver seines rechten Flügels durch schwieriges, Gelände war Moreau ein hohes Risiko eingegangen. Als die Franzosen ihren Streich vollendet hatten, ließ das Schneetreiben nach und die Sonne brach durch die Wolken. „Es schien, als wollte dieses göttliche Gestirn unsern Triumph noch erhellen“, notierte hochgestimmt Divisionskommandeur Decaen.

Das Licht der Sonne fiel auf ein Desaster historischen Ausmaßes. Die Niederlage der Österreicher und Bayern war total, lediglich die bald anbrechende Nacht rettete die Armee vor der kompletten Vernichtung durch die Sieger. Wo aber General Decaen den Glanz des Schlachtenruhmes erblickte, erlebten Tausende einfache Soldaten den Horror der Schlacht. Der Überraschungsangriff der Franzosen in den Rücken der auf der Straße von Maitenbeth nach Hohenlinden marschierenden Osterreicher und Bayern muss einer Lawine geglichen haben.

„Einmal in Schwung gekommen wird alles in die Katastrophe mitgerissen“, schrieb ein Zeuge. „Alles, was nicht den Weg frei macht, um Platz zu machen, wird gefangen genommen, erschossen, mit dem Bajonett erstochen oder niedergesäbelt.“

Drangsal für
die Zivilisten

Ein anderer geriet später angesichts der Ernte des Krieges ins Grübeln: „Hier lagen tote Pferde und Menschen bei- und nebeneinander, die letzteren schrecklich zugerichtet, und beinah alle bis aufs Hemde ausgezogen oder ganz nackend, Freund und Feind waren jetzt schwer zu erkennen. Der Tod hatte sie alle miteinander vereinigt, und so ruhten sie nun so friedfertig einer zur Seite des anderen, wie sie zusammen gelebt haben würden, wenn sie das Schicksal in andere Verhältnisse gebracht hätte.“ 1850 der insgesamt 5000 bairischen Soldaten starben, wurden verstümmelt, gerieten in Gefangenschaft, insgesamt dürften 15000 Soldaten getötet oder verwundet worden sein.

Nicht nur Soldaten litten, sondern auch die Zivilisten, Frauen, Männer, Kinder, Alte, die ihr Leben in den Dörfern und Märkten der Umgebung fristeten. In den Karten der Militärhistoriker markieren farbige Pfeile die Bewegungen der Heere. Im echten Leben waren es geplünderte Häuser und leergefressene Vorratsspeicher.

Nicht erst die Kampfhandlungen, schon die Einquartierungen von Truppen konnten ein Land ruinieren – wobei es so gut wie keinen Unterschied machte, ob es sich um „feindliche“ oder „befreundete“ Soldaten handelte.

In Rosenheim stiegen die Schulden der Stadt durch Einquartierungen so besorgniserregend an, dass die Stadt sogar die Einführung einer Biersteuer erwog. Die Lage war so verzweifelt, dass man den Kurfürsten anflehte, auch keine eigenen Soldaten in Rosenheim zu belassen. Man sei „erschöpft und ausgesaugt“. Kein Wunder, wenn ein Markt mit gerade mal 1600 Einwohnern Hunderte oder gar Tausende von Soldaten mitversorgen muss.

„Die ganze Gegend wurde durch Einquartierungen und Lieferung von Naturalien sehr bedrängt“, heißt es auch in der „Chronik von Maitenbeth“ des Expositus Franz Haistracher, damals Pfarrer in der Filialkirche in Maitenbeth. Die Menschen mussten „ihre Häuser verlassen und in Wäldern sich verstecken, um ihr Leben zu retten. Heu, Stroh, Betten, Küchengeschiere, Holz und dergleichen wurde in das Lager hinausgeschleppt, und die Leute durften froh seyn, dass ihre Häuser nicht angezunden wurden.“

Krieg verheert
die Region am Inn

Den Österreichern folgten nach dem 3. Dezember die französischen Sieger. Den Hunger, die Not der kleinen Leute kann man sich entfernt vorstellen, wenn man hört, dass nach dem Abzug der Soldaten „die ohnehin armen Leute nicht einmal das Nothdürftigste vorfanden“, wie der Pfarrer schreibt. In den Dörfern im Kampfgebiet lebte „der größte Bevölkerungsteil in abgenutzten, noch blutbefleckten Monturstücken der in der Schlacht vom 3. Dezember Gebliebenen, das Fleisch der im Wald und auf der Straße erschossenen Pferde als wohltätige Gabe verzehrend“, beobachtete ein Zeitgenosse.

Die Sieger setzten den Österreichern nach. In Flintsbach erinnert ein Votivbild an Raub und Brandstiftung durch fouragierende Soldaten, in Raubling und Neubeuern haben sich sogenannte Franzosensäulen erhalten, die an den Inn-Übergang der französischen Armee am 9. Dezember 1800 erinnern, nachdem sich Kaiserliche und Franzosen in Stephanskirchen nochmals ein Gefecht geliefert hatten. Nahe dem Mittertor erinnern eine Kanonenkugel in einer Hauswand und eine Inschrift daneben an einen unheilbringenden Vorstoß der Franzosen nach Rosenheim.

Hohenlinden, die
vergessene Schlacht

Verträge wurden geschlossen und wieder gekündigt, auch in den folgenden Kriegen in Europa der Napoleon-Ära zogen Truppen durch die Region. Erst nach Napoleons Niederlage 1815 in Waterloo blickten die Menschen zuversichtlicher in die Zukunft. Aber niemals mehr wurde wie in den Kämpfen vom Dezember 1800 in der Region Europas Landkarte umgezeichnet. „Doch die Schlacht und die Geschehnisse von damals sind kaum im Bewusstsein“, sagt Ester Heiß die das Archiv der Gemeinde Maitenbeth betreut.

Günter Schneider bezeichnet Hohenlinden in seinem umfassenden Buch als „die vergessene Schlacht“. Ein zutreffender Titel. Die Kämpfe wurden verdrängt. Vielleicht, weil der Sieger Moreau hieß. Er zog im Machtkampf mit dem künftigen Kaiser Napoleon den kürzeren und musste ins Exil. Napoleon hatte kein Interesse daran, die Schlacht von Hohenlinden auf eine Stufe mit seinem Triumph von Marengo gestellt zu sehen.

Geschichtskundige wie Ester Heiß kennen die Schauplätze. Sie wissen, was die hellgrau oxidierten Kugeln und glänzenden Splitter bedeuten, die man entlang der B12 aus der aufgeackerten Erde klauben kann – es sind Musketenkugeln und Feuersteine, deren Funken die Treibladungen der Musketen zündeten. Viel mehr blieb an Ort und Stelle nicht von den Namenlosen, die die wahren Kosten des Krieges trugen.

Eine gute Möglichkeit, sich mit den Schauplätzen vom Dezember 1800 vertraut zu machen, ist das „Maitenbether Kleeblatt“, eine Rundtour für Radler und Wanderer, die durch die Landkreise Rosenheim, Mühldorf, Ebersberg und Erding führt. Infos bei der Gemeinde Maitenbeth oder unter www.inn-salzach.com.

Eine Schlacht und ihre Folgen

So viele Soldaten sah die Region am Inn erst beim Einmarsch der US-Armee im Mai 1945 wieder: Zehntausende von Franzosen, Baiern und Österreichern sammelten sich am Inn, um eine Entscheidung im Zweiten Koalitionskrieg zu herbeizuführen. Im Sommer 1800 war die französische Rheinarmee unter General Jean-Victor Moreau durch Süddeutschland marschiert und hatte die Österreicher vor sich hergetrieben. Im Juni besetzten die Franzosen München. Es folgte ein Waffenstillstand, den Napoleon im November kündigte. Die Österreicher setzten daraufhin bei Mühldorf über den Inn und schlugen die Franzosen bei Ampfing. Daraufhin gruppierten sich die Franzosen um. Österreicher und Baiern witterten ihre Chance, wähnten den Weg nach München frei und hasteten den Franzosen hinterher. Bei Hohenlinden stießen sie auf das, was sie zunächst für die Nachhut hielten – es war in Wirklichkeit Moreaus Hauptarmee. Die Österreicher griffen unkoordiniert an und scheiterten, der Misserfolg vollendete sich zur Katastrophe, als Truppen des rechten französischen Flügels im Rücken der anmarschierenden Baiern und Österreicher auftauchten. Von Napoleon in Italien und von Moreau in Deutschland geschlagen, ersuchte Österreich 1801 um Frieden. England folgte 1802. Baiern verließ die ungeliebte Allianz mit Österreich, schloss sich Napoleon an und wurde so 1806 Königreich – es war der Anfang vom Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.

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