Rosenheim – Im Dezember 2018 eröffnete die AfD in Rosenheim ein Parteibüro am Georg-Staber-Ring. Aus diesem Anlass rief das Rosenheimer linke Forum zu einer Demonstration gegen die Partei und die Eröffnung deren Büros auf (wir berichteten). Wegen mehrerer Vergehen im Zuge des Protestmarsches mussten sich jetzt zwei junge Männer in Rosenheim vor Gericht verantworten.
An die 200 Teilnehmer zogen zu Beginn der Demonstration zum Georg-Staber-Ring. Dort setzte sich dann plötzlich ein Trupp von etwa 30 bis 40 Personen entgegen den Vorgaben der Stadt vom Gros der Teilnehmer ab und drängte über die Treppen hinauf in Richtung AfD-Büro.
Stoß mit einer
Fahnenstange
Die Polizisten riefen, so deren Aussage jetzt vor Gericht, den vordringenden Personen zu: „Stopp, Polizei, bleiben sie zurück!“ Dabei hätten die Polizeibeamten ihre Schlagstöcke nach oben gereckt, um auf sich zusätzlich aufmerksam zu machen. Aus der Personengruppe heraus wurde nach Angaben der Einsatzkräfte plötzlich eine Fahnenstange nach vorne gestoßen, die einen der Beamten im Gesicht traf. Kurz darauf sei eine weitere Fahnenstange aus der Gruppe heraus auf die Polizisten geschleudert worden.
Per Videoaufnahmen wurden zwei der Demonstranten identifiziert, die sich nun vor dem Jugendschöffengericht verantworten mussten. Ein Student (23) aus Salzburg sowie ein Rosenheimer Schüler (20) waren wegen Landfriedensbruchs, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung sowie Angriffs auf Vollstreckungsbeamte angeklagt. Dazu kam laut Staatsanwaltschaft ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot.
Für den Salzburger Studenten erklärte dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Florian Bracht, dass sein Mandant tatsächlich an der Veranstaltung teilgenommen hat. Auch beim Vorstoß auf das AfD-Büro sei er dabei gewesen. Allerdings sei er zu keiner Zeit gegen die Beamten tätig gewesen, sei nur im Gedränge mitgeschoben worden. Eine Vermummung habe es ebenfalls nicht gegeben, vielmehr habe er einen „Schlauchschal“ als Kälteschutz ins Gesicht gezogen. Immerhin sei es ein kalter Dezembertag gewesen.
In gleicher Weise äußerte sich der Verteidiger des Rosenheimer Schülers, Rechtsanwalt Marco Noli. Sein Mandant habe keinesfalls mit einer Fahnenstange hantiert oder gar eine solche gegen einen Beamten gerichtet. Er habe das Transparent gehalten und gar keine Gelegenheit gehabt, mit einer Fahnenstange zu agieren.
Der Einsatzleiter der Polizei berichtete, dass das Vordringen der Demonstranten nur mit Mühe zu verhindern war. Erst als die angeforderten Zusatzkräfte eintrafen, habe die Gruppe von ihrem Vorhaben abgelassen. Die beiden Angeklagten wurden vor Ort und dank der Video-Aufzeichnungen identifiziert.
„Stoßer“ auf Video
nicht zu identifizieren
In einem Rechtsgespräch wurde geklärt, dass der Student keinesfalls bei den Körperverletzungen involviert gewesen war. Auch sei sein Gesicht auf dem Video einwandfrei zu sehen. Also liege auch kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot vor. So beschloss das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen ihn einzustellen. Wegen des Landfriedensbruches soll er eine fünftägige gemeinnützige Arbeit leisten.
Der verletzte Polizeibeamte erklärte, er habe den „Stangenstoßer“ eindeutig identifizieren können und verwies auf den zweiten Angeklagten, der dies aber weiterhin heftig bestritt. Nun schaute man sich mehrere Videos an. Dabei war zwar der „erfolglose“ Fahnenstangenwurf, nicht aber der Werfer zu erkennen. Den Stangenstoß auf den Beamten erfasste keine Videosequenz. Auch war sich der Beamte im Nachgang nicht mehr sicher, bei welcher Aktion er die Verletzung erlitten hatte.
Der Verteidiger beantragte, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen. In diesem Falle bestand der Staatsanwalt aber auf einem Urteil. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe betonte, dass es sich hier um das einzige Mal handelte, in dem der Angeklagte straffällig geworden sei und empfahl eine Verständigung mittels erzieherischer Maßnahmen.
Aufsatz als
Strafe gefordert
Eine solche Verständigung wurde schließlich erzielt: Der Vorwurf der schweren Körperverletzung und der Tätlichkeit gegen Vollstreckungsbeamte wurde eingestellt. Es blieb damit lediglich der Vorwurf des Landfriedensbruches und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der Verständigung folgend beantragte der Staatsanwalt eine 40-stündige gemeinnützige Arbeit und einen fünfseitigen handschriftlichen Aufsatz über die Grenzen des Demonstrationsrechtes.
Der Verteidiger stimmte zu, das Gericht unter Vorsitz von Richter Hans-Peter Kuchenbaur urteilte entsprechend. Kuchenbaur: „Keinesfalls wurde hier eine Demonstration verurteilt. Für oder gegen etwas zu demonstrieren, das wird und muss in Deutschland immer rechtens sein. Jedoch sind dabei Regeln einzuhalten. Und dass dagegen verstoßen wurde – das war heute und hier das Thema.“