Eine „beinharte Hausaufgabe“

von Redaktion

Vier Trassen weiterhin im Rennen, eine gestrichen – und die Regierung von Oberbayern drängt auf Tunnellösungen: Das sind die wichtigsten Punkte des Raumordnungsverfahrens zum Brenner-Nordzulauf. Gestern wurden die Ergebnisse im Kuko in Rosenheim vorgestellt.

Rosenheim – Lust zum Feiern dürfte beim Thema Brenner-Nordzulauf bislang kaum jemand bekommen haben. Das änderte sich gestern im Rathaus von Neubeuern. „Wir haben uns ein Glas Sekt gegönnt“, sagte Bürgermeister Christoph Schneider (Unabhängige Neubeurer) nach dem Aus für die „blaue Trasse“, die sein Gemeindegebiet massiv tangiert hätte. Erleichterung auch bei Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter (Bürgerblock). Was seine Gemeinde betrifft, sei er „insgesamt zufrieden“. Allerdings gebe es den Wermutstropfen, dass die violette Trasse noch im Rennen sei.

Die blaue Variante verläuft eingezwängt zwischen Inn (östlich) und den Gemeinden Rohrdorf, Neubeuern und Nußdorf. Ihre Mängel könnten „auch bei möglichst schonender Planung nicht entscheidend gemindert werden“, sagte Regierungspräsidentin Maria Els bei der Vorstellung des Gutachtens im Kultur- und Kongresszentrum.

Ludwig: „Deutlicher
Rückenwind“

Die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) begrüßte die Stellungnahme der Regierung in einer ersten Reaktion als „deutlichen Rückenwind“, auch, was die Forderung nach der Prüfung unterirdischer Trassenverläufe betrifft. Dies gilt besonders für die beiden Inn-Unterquerungen, die bereits der Kreistag gefordert hatte. Auch in anderen Bereichen hat die Regierung von Oberbayern den Planern der Bahn einiges ins Stammbuch geschrieben. So sind auch die Einwände für die Streckenabschnitte nördlich von Rosenheim schwerwiegend. Die Bahn solle diese Maßgaben ohne Zeitdruck prüfen und ausführen, sagte Ludwig.

In Rosenheim äußerten sich auch die bayerischen Staatsminister für Bauen und für Wirtschaft, Kerstin Schreyer (CSU) und Hubert Aiwanger (FW). Und die ließen noch andere Bedenken als die der Landschaftsverträglichkeit anklingen: Beide betonten, dass der Bedarf einer Strecke erst belegt werden müsse. Dass dieser Bedarf in absehbarer Zeit dokumentiert werden kann, scheint fraglich. Besonders nach diesem Satz von Ministerin Schreyer: „Durch Corona wird sich die Verkehrspolitik massiv verändern.“

Womöglich schon nach den Osterferien will die Bahn ihre favorisierte Trasse vorstellen. Das kündigte Klaus-Dieter Josel an, der Konzernbevollmächtigte der DB für den Freistaat Bayern. An diesem straffen Zeitplan äußerten Landrat Otto Lederer und Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (beide CSU) gewisse Zweifel. „Eine beinharte Hausaufgabe“ habe die Regierung der Bahn aufgegeben, sagte März. Lederer kündigte zudem an, „den Finger weiter in die Wunde zu legen“. In Österreich verliefen zum Beispiel 80 Prozent der Gleise für den Nordzulauf unter der Erde. Gleiches müsse dann auch für die Strecke im Landkreis Rosenheim gelten. „Wir wollen keine EU-Bürger zweiter Klasse sein“, sagte Lederer.

Ein so hoher Prozentsatz an Tunnelstrecke wäre vermutlich nur bei der violetten Trasse zu erreichen, die besonders nah an Stephanskirchen vorbeiführt. Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie) zeigt sich gelassen. Die landesplanerische Beurteilung bedeute schließlich keine Vorentscheidung. Außerdem sei eine Stephanskirchen stark betreffende Trasse bereits aus dem Rennen. Mair ergänzt: „Spannend wird bei den weiteren Untersuchungen der violetten Trasse, wie der mit 28 Kilometern längste Bahntunnel Deutschlands technisch und finanziell realisierbar wäre.“

Die Regierung von Oberbayern rückte eine Idee der Initiative Inntal 2040 erneut in den Mittelpunkt: eine Verlegung der Verknüpfungsstelle in den Berg bei Niederaudorf. Bestands- und Neustrecke würden dann ohne schwerere Beeinträchtigungen in einem Tunnel zusammengeführt werden. Ein Vorstoß, dem allerdings die Deutsche Bahn eine Absage erteilt – da aus Gründen der Sicherheitsvorschriften nicht realisierbar. Die Bahn führt das sogenannte „Begegnungsverbot“ an, das für unterirdische Gleise jeweils eigene Tunnels vorschreibe.

Verärgerung über
Verknüpfungsstellen

Dass die Bahn sich abweisend verhält, will Raublings Bürgermeister Olaf Kalsperger (CSU) indes nicht auf sich beruhen lassen. „Nur weil das die Bahn für gesetzlich nicht möglich hält, heißt das nicht, dass es nicht möglich ist“, sagt er.

Für Kalsperger und seine Gemeinde wäre die Berg-Lösung eine Erlösung – eine Planungsvariante sieht eine Verknüpfungsstelle am Südrand von Raubling vor. „Eine Katastrophe“, sagt Kalsperger. Daniela Ludwig verspricht Hilfe in Sachen Verknüpfungspunkt im Gebirge: „Ich habe bereits Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gebeten, dazu eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen.“

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