Traunstein – „Mir geht es darum, dass er eine gerechte Strafe erhält. Wegen des Leids, das er mir bereitet hat.“ Aus Michael R.‘s Stimme ist jeder freundschaftliche Ton verschwunden. Und doch war der Mensch, den der Merzenicher am Montagvormittag vor Gericht wiedersehen wird, mal mehr als ein mutmaßlicher Straftäter.
Auch wenn man sich später aus den Augen verloren habe, sei er ein Freund gewesen, erst im Kindergarten, dann in der Schule. Das sagt Michael R. (36) über den Menschen, der sich heute ab 10 Uhr am Amtsgericht Traunstein verantworten muss. Unter anderem wegen Betrugs und Diebstahls, wegen Urkundenfälschung und falscher Versicherung an Eides statt. Und alles unter dem Namen von Michael R., der als Zeuge geladen ist.
Beschuldigt ist Xenia Maria M., und zwar wegen der Taten, die sie noch in ihrem früheren Leben als Thomas M. begangen haben soll. Die gemeinsam verbrachte Kindheit hielt Thomas M. demnach nicht davon ab, Michael R. die Identität zu stehlen. „Er wusste sehr viel über mich“, sagt Michael R. den OVB-Heimatzeitungen vor der Verhandlung im Schöffengericht. „Und das nützte er aus.“
Mit der erschlichenen Identität, so sieht es der zuständige Staatsanwalt, habe der frühere Sandkastenfreund dann Waren bestellt, Versicherungen abgeschlossen, Raten für ein Auto vereinbart, eine Wohnung in Rosenheim gemietet. Alles ohne die Absicht, irgendetwas davon zu bezahlen. Ein Albtraum sei das gewesen, sagt R., immer wieder seien Rechnungen auch von Inkassounternehmen in seinem Briefkasten gelandet.
Michael R. konnte sich auf die Spur seines mutmaßlichen Peinigers setzen und dessen Rosenheimer Vermieterin warnen. Die wiederum benachrichtigte die Polizei. Der präsentierte er prompt den falschen Personalausweis, den er sich mithilfe der erschlichenen Geburtsurkunde von Michael R. in München hatte ausstellen lassen. Ohne Erfolg, die Rosenheimer ließen sich nicht täuschen und nahmen ihn im Dezember 2018 fest.
Zu klären gilt es heute in Traunstein, was Thomas M. aus welchen Motiven tat. Aber wohl auch, wie er so leicht Behörden täuschen konnte. Ins Gefängnis wird er auf jeden Fall müssen. Als er in Rosenheim festgenommen wurde, hatte er sich bereits einer Haftstrafe im offenen Vollzug wegen Computerbetrugs entzogen. Er war einfach aus dem Freigang nicht zurückgekehrt.Michael Weiser