Rosenheim – Verspätete staatliche Hilfen, Essen „to go“ und ständig neue Vertragsverhandlungen. So beschreiben die Gastwirte in der Region ihren Alltag seit dem zweiten Lockdown. Um daran etwas zu ändern schlossen sich zahlreiche Gastronomen aus dem Landkreis zusammen und versammelten sich auf dem Rosenheimer Max-Josefs-Platz. Das erklärte Ziel: Ein Ende der dauerhaften Ungewissheit.
Gastronomie wird
geschlossen aktiv
„Von Anfang an hatten wir keine Perspektive“, klagt Christine Haldek, Wirtin von der Fischküche Rosenheim, wenn sie auf die vergangenen drei Monate zurückblickt. Sie ist die Initiatorin der öffentlichen Protestaktion und erfährt am eigenen Leib, wie sich die Corona-Beschränkungen auf die heimische Gastronomie auswirken. „Es heißt ja immer, wir würden zu 75 Prozent entschädigt werden.“ Durch laufende Fixkosten und das Gehalt für die Kurzarbeiter, gehe allerdings ein Großteil dieses Anteils einfach verloren.
Zwei Aktionen,
ein Gedanke
Da sie es endgültig leid wäre, einfach nur dazusitzen und zu hoffen, dass man irgendwann wieder aufsperren kann, wurde die Wirtin aktiv und trommelte Gleichgesinnte für ein öffentliches Zeichen in der Rosenheimer Fußgängerzone zusammen.
Gut 40 Wirte folgten dem Ruf in die Rosenheimer Innenstadt, um mit Plakaten und Sprüchen ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und wollen das mit ihrer Demonstration zeigen. Eine ähnliche Aktion organisierte Theresa Albrecht, Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Rosenheim. Sinnbildlich für die schwere Situation der Verbandsmitglieder hat sie, zusammen mit zwei Vertretern der Branche, am Ludwigsplatz ein gemachtes Bett sowie einen gedeckten Tisch aufgestellt. „Das kann so nicht weitergehen: Wir dürfen einfach nicht länger eine Sonderopferrolle aufgebürdet bekommen“, ist sie sich sicher. Die uneingeschränkte Unterstützung der Wirte aus dem Landkreis hat Albrecht bei ihrer Aktion allerdings nicht, wie der strikt getrennte Protest von Haldek verdeutlicht. „Wir haben uns bewusst gegen eine Kooperation entschieden und wollen keine Schönrederei von Seiten dieser Verbände, da sie uns seit zwölf Monaten nicht unterstützt haben.“ Auch die Dehoga- Kreisvorsitzende Albrecht bleibt distanziert, betont jedoch auch, dass man immer repräsentativ für die gesamte Gastronomiebranche stehe und letztendlich durchaus dasselbe Ziel verfolge.
Direkt von der Wirtsaktion am Max-Josefs-Platz überzeugt ist Jasmin Bannas, die Pächterin des Restaurants zum Santa. Sie brauchte nicht lange überlegen, ob sie am Montagnachmittag Zeit hat, um Haldek bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. „Es bringt nix, nur zu Hause rumzujammern. Wir müssen einfach zeigen, wie viele Existenzen derzeit bedroht sind“. Wie Haldek warte die Wirtin seit Dezember auf die staatliche Finanzierungshilfe und muss auf Rücklagen der vergangenen Jahre zurückzugreifen, um ihre laufende Pacht bezahlen zu können. Auch die Argumentation, Essen zum Mitnehmen anbieten zu können, lässt Bannas nicht durchgehen. Das Prinzip sei einfach nicht rentabel. Demnach würde es mehr kosten, den Koch aus der Kurzarbeit zurückzuholen als man durch das zusätzliche Angebot wieder einnehmen würde. Auch für Daniel Hagen vom Inselbräu auf der Fraueninsel am Chiemsee, ist die „To-go“-Variante keine Alternative. Er plädiert: Gerade jetzt, wenn das Wetter wieder schöner werde, sollten zumindest die Außenbereiche der Gaststätten wieder geöffnet werden. Zumal dort der Abstand seiner Meinung nach viel besser gewahrt und kontrolliert werden kann als an jedem Berggipfel oder See.
Um eine Änderung zu bewirken, hat man sich sowohl bei der Fischküche als auch bei der Dehoga an den Rosenheimer Oberbürgermeister Andreas März gewandt. Auch er findet die Aktion gut und befürwortet die öffentliche Versammlung unter Einhaltung des notwendigen Sicherheitsabstandes.
Wunsch nach klaren
Vorgaben wächst
Wirtin Christine Haldek freut sich über den Zuspruch und hofft darauf, mit der Unterstützung von vielen Gesichtern ein deutliches Zeichen setzen zu können. Die Wirte sind sich jedenfalls einig, dass „es Zeit für eine klare Richtlinie in der Politik wird“. Nur so könne man die unsichere Zeit hinter sich lassen.