Siegsdorf – Ein Wolf geht um im Siegsdorfer Ortsteil Scharam. Dort waren Ende Februar zwei Schafe gerissen worden. Zudem nahm eine Fotofalle das Tier auf. Schon seit Jahren leben drei Kamerun-Schafe wild im Gemeindebereich, weiß Jagdpächter Hubert Hasselberger. „Die hab ich schon oft auf meinem Hochsitz beobachtet“, sagt der Jäger und Landwirt.
Am 20. Februar erhielt er einen Anruf von einer Grundstücksbesitzerin, dass zwei der Tiere gerissen worden seien. Hasselberger war schnell klar, dass es sich nicht um einen Fuchs gehandelt haben konnte. „Man hat besonders bei einem Tier gesehen, dass es fast vollständig aufgefressen worden ist“, sagt der Siegsdorfer. Das andere Tier sei in die Flanken gebissen worden. „Ein typisches Verhalten des Wolfs“, sagt Hasselberger.
Erst im Sommer waren zwischen Wendelstein und Chiemgauer Alpen mehrere Wölfe gesichtet und nachgewiesen worden, die zum Teil auch Schafe gerissen hatten. Auch in Siegsdorf wurde das Landesamt für Umwelt (LfU) kontaktiert. Dieses wertet Proben des Tieres für eine Genanalyse aus.
Tatsächlich handelt es sich laut einer Sprecherin um einen Wolf aus der Alpenpopulation. Noch sei die Analyse der Proben nicht abgeschlossen, daher könne man derzeit keine Rückschlüsse auf das Geschlecht ziehen. Das könnte in diesem Fall aber entscheidend sein. Der Wolf tappte am 23. Februar in eine Fotofalle am Scharam. Hubert Hasselberger ist sich sicher, dass es sich um ein weibliches Tier, eine „Fähe“, handelt.
Und nicht nur das: „Auf dem Bild ist klar erkennbar, dass das Tier trächtig ist.“ In diesem Fall müsse daher von mindestens zwei Wölfen ausgegangen werden.
Geräusche von zwei
Wölfen am Montag?
Diese Vermutung hat auch Brigitte Klammer, die ebenfalls am Scharam wohnt. „Geräusche von Füchsen und anderen Tieren im Wald sind wir hier oben gewöhnt“, sagt sie. Doch am Montagabend hörte sie plötzlich etwas, was sie nicht zuordnen konnte, als sie den Müll rausbrachte. „Da war ich besonders aufmerksam, da am Montag ein Mann aus Eisenärzt vermisst worden war“, sagt Klammer. Verunsichert ging sie mit ihrer Tochter Christina auf den Balkon und beide hörten sich die Laute an. „Mir hat das keine Ruhe gelassen, weil ich von meinem Onkel wusste, dass da ein Wolf ist“, sagt die Siegsdorferin.
Im Internet suchten sie dann nach Audiodateien von Wolfslauten. Prompt wurden sie fündig. „Wir sind sicher, dass es ein Wolf war. Und zwar nicht nur einer“, sagt Klammer.
Nur wenige Hundert Meter Luftlinie vom Siegsdorfer Zentrum entfernt, am Lichtsberg, waren die Schafe getötet worden. Genau oberhalb vom Ortsteil Höpfling, wo Josef Döpper knapp 40 Schafe hält.
Erste Vorkehrungen gegen einen Wolfsangriff hat er bereits getroffen. „Eigentlich ist unser Schafstall komplett offen, aber jetzt haben wir ein Gitter montiert“, sagt Döpper. Sorgen mache ihm der Wolf schon, zumal die Schafe im Sommer viel auf der Weide seien. „Ein Schutz ist da kaum möglich“, sagt der Höpflinger.
Die Weide sei sehr abschüssig und von Gräben durchzogen, die könne man gar nicht entsprechend umzäunen. Einen Herdenschutzhund wolle er sich nicht anschaffen: „Das ist nicht unproblematisch, weil wir an Touristen vermieten und da meist Kinder dabei sind.“
Für den Landtagsabgeordneten Klaus Steiner (CSU) ist die Lösung im Siegsdorfer Fall klar: „Der Wolf muss entnommen werden!“ Erst vor einer Woche hatte er die konsequente Entnahme von Wölfen gefordert, um Weidetiere und letztlich auch die Almwirtschaft selbst zu schützen. „Unsere Kulturlandschaft und der Wolf passen einfach nicht zusammen.
Dafür ist der Landkreis Traunstein zu dicht besiedelt, und wir haben zu viel Weidehaltung“, sagt Steiner im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen.
Wohl von Nutztieren
nicht vergessen
Die Rosenheimer Kreisbäuerin Katharina Kern pflichtet ihm bei: „Wir sind nicht an und für sich gegen den Wolf, nur er passt halt nicht überall hin.“ Kern zufolge verdoppeln Wölfe ihre Population binnen zwei Jahren. „Je mehr Rudel da sind, desto näher kommen sie an Siedlungen“, sagt Kern. Ein kompletter Schutz für Nutztiere sei nicht möglich, gerade bei Almen: „Eine Umzäunung unserer Alm wäre acht Kilometer lang.“ Doch auch im Tal seien Nutztiere nicht geschützt, zumal für das Tierwohl in den vergangenen Jahren bewusst offene Ställe geschaffen worden seien. Für Kern stellt sich deshalb die Frage, ob der Wolf einen höheren Schutz als ein Nutztier verdient habe. Sie warnt außerdem vor einer Verniedlichung: „Das ist immer noch ein Raubtier. Möchte man da wirklich noch spazieren gehen, wenn ein Wolfsrudel in der Nähe ist?“
Wie viele Wölfe tatsächlich von den Experten in der Region vermutet werden, bleibt offen. Auf Nachfrage unserer Zeitung antwortet das Landesamt für Umwelt: Das aktuelle Monitoring mit automatischen Wildtierkameras im südlichen Landkreis Traunstein ergebe bis dato keine Hinweise auf ein Wolfsrudel.