Sexueller Übergriff in Klinik?

von Redaktion

Landgericht Traunstein spricht 37-jährigen Angeklagten frei

Traunstein/Wasserburg – Ein ungewöhnliches und schwieriges Verfahren, in dem es um einen sexuellen Übergriff an einer psychisch kranken Patientin durch einen 37-jährigen Mitpatienten im Bezirksklinikum in Gabersee ging, fand jetzt vor der Sechsten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jacqueline Aßbichler statt. Das mutmaßliche Opfer (57) wurde per Videoübertragung angehört. Letztlich sprach die Kammer den 37-Jährigen mangels Beweisen frei.

Gemäß Anklage von Staatsanwalt Daniel Musin soll der 37-Jährige am Abend des 6. März 2020 gegen 21.30 Uhr in das Zimmer der Frau eingedrungen sein, sich entkleidet und auf die Geschädigte gelegt haben. Obwohl die Frau den Mann wegschieben wollte, machte der – angeblich gegen ihren Willen – weiter. Letztlich verhinderte das Erscheinen eines Pflegers Weiteres.

Der zwölffach vorbestrafte Angeklagte ist selbst psychisch krank. Wegen unterschiedlicher Straftaten saß er mehrfach im Gefängnis, dazu einmal in psychiatrischer Unterbringung. Zur Tatzeit weilte er zur Medikamentenabstimmung in der Klinik. Der 37-Jährige beteuerte, er sei „unschuldig eingesperrt“, ehe Verteidiger Dr. Markus Frank aus Rosenheim ankündigte, sein Mandant werde von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.

Noch vor der Beweisaufnahme befasste sich die Kammer intensiv mit der Aussagetüchtigkeit der mutmaßlichen Geschädigten. Die psychiatrische Sachverständige, Chefärztin Dr. Verena Klein vom Bezirksklinikum in Taufkirchen, berichtete von wechselnden Phasen im Befinden der 57-Jährigen. Bei der Videovernehmung stand dem Opfer Rechtsanwältin Gabriele Sachse aus Rosenheim zur Seite.

Die Zeugin antwortete auf Fragen in knappen Worten. „Ich habe mich überfallen gefühlt“, sagte sie zur Sache. Allerdings wichen ihre Angaben in wesentlichen Punkten von früheren Aussagen ab. Dr. Verena Klein stellte anschließend fest: „Es bleibt schwierig zu sagen, ob sie wirklich aussagetüchtig ist.“ Der Pfleger, der auf seinem Rundgang in das Zimmer gekommen war, sah den Angeklagten mit heruntergezogener Jogginghose auf dem Bett der Frau knien. Der 37-Jährige sei sofort aufgestanden. Eine Kollegin wurde damals von dem Pfleger zugezogen. In nur wenigen Worten habe die Patientin von dem „großen schweren Mann“, der in ihr Zimmer gekommen sei, erzählt, aber kaum Details erwähnt, erinnerte sich die Zeugin. In der gleichen Nacht noch vernahm ein Beamter der Polizeiinspektion Wasserburg die Frau, die ihm „glaubwürdig, aber auch fertig und verwirrt“ erschien. Eine Ärztin bezeichnete die Schilderung der 57-Jährigen ihr gegenüber „anfangs als absolut glaubwürdig und stimmig“. Später habe sie einen etwas anderen Eindruck gehabt.

Die Vorsitzende Richterin verwies auf die rechtliche Situation. Stehe Aussage gegen Aussage, sei die Prüfung „schon bei zwei gesunden Menschen sehr schwierig“. Noch höher seien die Anforderungen des Bundesgerichtshofs, wenn es um „zwei kranke Menschen“ gehe. Vor diesem Hintergrund plädierte Staatsanwalt Daniel Musin auf Freispruch gemäß dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Nach seiner persönlichen Überzeugung habe der sexuelle Übergriff in der angeklagten Form stattgefunden. Das könne jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Der Verteidiger, Dr. Markus Frank aus Rosenheim, sah die Vorwürfe als widerlegt an. Die 57-Jährige sei nicht aussagetüchtig. Es gebe viele Diverenzen zu früheren Angaben.

Im Urteil betonte die Vorsitzende Richterin: „Wir sind nicht hier, um sexuelle Kontakte in Einrichtungen zu bewerten. Unsere Aufgabe ist, Straftaten festzustellen.“

Artikel 1 von 11