Rosenheim – Der Piks sitzt. Um kurz nach 9Uhr drückt der Rosenheimer Arzt Dr.Fritz Ihler auf den Stempel der Spritze und verabreicht der Rosenheimerin Ingeborg Betsche ihre erste Dosis des Impfstoffs von Astrazeneca. „Ich bin froh, dass ich geimpft bin“, sagt die 78-Jährige. Vor allem hofft sie, mit der Injektion schneller wieder die Möglichkeit zu bekommen, ihren Mann zu besuchen. Der liegt derzeit im Krankenhaus.
Auch der Zufall
spielt eine Rolle
Schon am Mittag des Tages hat Ihler alle 20 Dosen verimpft. Rund 30 Minuten braucht er für eine Impfung, inklusive Aufklärung, Dokumentation und Nachkontrolle. 15 Minuten müssen die Geimpften im Anschluss in der Praxis verweilen, um zu sehen, wie ihr Körper auf das Präparat reagiert.
Gestern fiel in Bayern der von Medizinern langersehnte Startschuss für die Corona-Impfungen in Hausarztpraxen. Insgesamt 1635 Praxen in Bayern nehmen teil, darunter auch einige Fachärzte. Diese erhielten bisweilen bereits am Montag jeweils zwei Ampullen vom Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca. Mit diesen 20 Dosen sollen die Ärzte ihre besonders durch das Corona-Virus gefährdeten Patienten impfen. 33600 Dosen bringt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) bayernweit unter die Ärzte.
Die Auswahl der Praxen lag ebenso in der Hand der KV, beauftragt durch das Bayerische Gesundheitsministerium. Kriterien hierfür: Einwohnerzahl, die Impfbereitschaft der Ärzte und eine ausreichende Anzahl an Patienten über 70 Jahren im letzten Quartal des vergangenen Jahres. „Da die Rückmeldungen so extrem hoch waren, spielte letztlich auch das Zufallsprinzip eine Rolle“, sagt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, Axel Heise.
Die Impfdosen für diesen Auftakt erhielten die Ärzte direkt über die Kassenärztliche Vereinigung. Für die Kampagne ab kommenden Mittwoch, 7. April, sollen die Apotheken die Ärzte mit Wirkstoff versorgen, die Bestellungen erfolgen jedoch ebenso über die KV. Das führt dazu, dass Mediziner ohne Kassenzulassung derzeit nicht in die Impfungen miteinbezogen sind. Das zumindest berichtet der Allgemeinmediziner Dr. Reiner Keller aus Bad Aibling. Er sagt, er bemühe sich seit vergangener Woche darum, bei der angelaufenen Impfaktion ebenfalls berücksichtigt zu werden. „Ich habe mich durchtelefoniert und jedem Verantwortlichen gesagt: Bitte denkt an uns“, berichtet er.
Denn er und seine privatärztlichen Kollegen stünden nicht unter dem gleichen zeitlichen Druck wie die Ärzte mit Kassenzulassung. Und: „Die allermeisten meiner Patienten wollen geimpft werden. Sie sind zwar kritisch und sich des Risikos bewusst, möchten aber lieber den Schutz haben als die Folgen einer Covid-19-Erkrankung.“ Doch ihm seien derzeit die Hände gebunden. Da die komplette Abwicklung über die KV laufe, kann er keinen Impfstoff bestellen. Wann sich dies ändert, bleibt vorerst offen. Der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern sind zumindest keine Pläne bekannt, auch Privatärzte in die Impfkampagne miteinzubeziehen.
Terminabsagen für kommende Woche
Auch unter den Kassenärzten macht sich Verzweiflung breit. So schildert der Rosenheimer Hausarzt Dr. Günter Wittekindt, dass ihm für den Start der kommenden Kampagne gerade mal 18 Dosen des Wirkstoffs von Biontech/Pfizer zugesichert worden seien. Er muss einigen seiner Patienten nun die schlechte Botschaft überbringen und bereits vergebene Termine wieder absagen. Für ihn besonders ärgerlich: Seine Kandidaten für das Vakzin hätten ihren Termin im Rosenheimer Impfzentrum bereits abgesagt – im Glauben, von Wittekindt geimpft werden zu können. Dieses Vorgehen wiederum hätten die Ärzte ihren Patienten nahelegen sollen – auf Empfehlung der Kassenärztlichen Vereinigung. Für den Mediziner ist klar: So zündet der von Politikern oft beschworene Impfturbo schon mal nicht.