Das Krankenhaus, in dem ich das Licht der Welt erblickt habe, wurde ein paar Jahre nach meiner Geburt zu einem Gymnasium umgebaut. So bin ich zehn Jahre später im gleichen Haus zur Schule gegangen. Am Gang vor dem Direktorat hat mich öfter der Gedanke beschäftigt, dass ich am Platz, wo jetzt der Schreibtisch der Direktorin stand, meinen ersten Schrei auf dieser schönen Welt getan habe.
Ebenso die Vorstellung, dass in den Klassenzimmern, in denen wir uns nun das Wissen für eine hoffnungsvolle Zukunft aneigneten, vorher Menschen gestorben sind. In einem Krankenhaus ist das zwangsläufig so. Geboren werden, lernen, lieben, leben und sterben liegen in unserem Leben manchmal ganz nahe beieinander. Im Alltag ist uns das nicht immer bewusst, sondern erst, wenn einschneidende Ereignisse uns das auf einmal schmerzlich vor Augen führen.
Die Kartage, in die wir jetzt hineingehen, sind deshalb keine stille „Osterruhe“, aber doch ein Innehalten im Getriebe. Mich berührt dabei jedes Jahr wieder die Angst, die Verzweiflung und das Gefühl der Verlassenheit, das Jesus durchlitten hat. So viele Menschen erleiden das auch heute mitten unter uns, unbemerkt von ihrer Umgebung.
Der Ort, an dem Jesus gestorben ist, war damals nur hundert Meter von der Stadtmauer Jerusalems entfernt. Nahe und mitten im pulsierenden Leben ereignet sich der Tod. Die Stimmung der Kartage bedeutet für mich, das Dunkel unseres Lebens einmal nicht bequem wegzuschieben, denn es steht unter dem Vorzeichen von Ostern. Am Ende siegen immer das Leben und die Liebe über den Tod.