Zeitplanung solide ermittelt

von Redaktion

INTERVIEW Chefplaner Matthias Neumaier zum Brenner-Nordzulauf

Rosenheim Es ist das am heißesten diskutierte Projekt des Jahrhunderts in der Region. Der Planer des Brenner-Nordzulaufs aber bleibt kühl: Vom Sinne der neuen Eisenbahngleise überzeugt, plant Matthias Neumaier für die Bahn die Neubautrasse mit rekordverdächtigen 60 Prozent Tunnelanteil. Die OVB-Heimatzeitungen sprachen mit dem Projektleiter über die Machbarkeit einer Innbrücke und über das Verfahren an sich.

Die Bahn, so hieß es am Dienstag vergangener Woche, trete nunmehr in die Vorplanung ein. Was genau heißt das?

In der Vorplanung werden wir die Trasse vertieft betrachten. Bis dato haben wir ein Trassenauswahlverfahren absolviert. Nun schauen wir uns lokale Alternativen an, wir werden die Bauverfahren untersuchen und die Untervarianten betrachten.

Eine dieser Varianten wäre, den Inn bei Langenpfunzen zu untertunneln.

Im Zuge des Trassenauswahlverfahrens haben wir parallel zum Raumordnungsverfahren die Höhenverläufe untersucht, und zwar ausgehend vom Inn. Wir haben die Trassenentwicklung zur Verknüpfungsstelle bei Ostermünchen hin untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bei einer Unterquerung des Inns zu tief am Endpunkt in Ostermünchen ankommen würden. Da wären wir bei 14 bis 27 Meter Tiefe in einem Trogbauwerk, und das ist ein großes technisches Problem.

Von Problemen bei der Genehmigungsfähigkeit spricht die Bahn auch bei einer Verknüpfungsstelle im Berg bei Oberaudorf.

Für eine Tunnelführung haben wir rechtliche Vorgaben für Bau und Genehmigung. Wir haben Grundlagen, die wir einhalten müssen. Bei Abweichungen von diesen Regelungen müssen wir den gleichen Stand an Sicherheit nachweisen. Wir haben da zum Beispiel das Begegnungsverbot. Das heißt, wir müssen Tunnel baulich trennen, um Sicherheit etwa im Brandfall gewähren zu können. Wir hätten in dem Bereich dann vier Tunnelröhren und mehrere Verbindungsröhren, um die Gleise der Neubau- und Bestandsstrecke so miteinander zu verbinden, dass wir die Züge auf den einzelnen Gleisen flexibel wechseln lassen können. In Summe sehen wir, dass wir unter Anwendung der rechtlichen Vorgaben keine Lösung entwickeln können, die das geforderte Sicherheitsniveau erreicht. Wir gehen davon aus, dass wir so keine genehmigungsfähige Planung erstellen können.

Und Riedering? Dort gab es eine unterirdische Variante, die ebenfalls die Regierung von Oberbayern empfohlen hat.

Es spricht nichts dagegen, sich diese Variante anzuschauen. Das haben wir auch bei der Trassenbekanntgabe zugesagt. Es gibt einmal eine obertägige Variante und einmal eine Untervariante, bei der wir unter der Erde bleiben. Diese beiden Untervarianten werden wir planerisch betrachten.

Wandern Sie da die Strecke zur planerischen Betrachtung ab, oder wie darf man sich das vorstellen?

Wir waren bislang sehr grob unterwegs. Im nächsten Schritt werden wir vertiefte Erkenntnisse gewinnen müssen. Wir werden Baugrunderkundungen im Bereich der Auswahltrasse starten. Wir werden die Trassierung genauer untersuchen, sie konkretisieren, weitere Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen einarbeiten. Wir werden auch erste Betrachtungen anstellen, wie man den Bau umsetzen kann, also mit welchen Bauverfahren. Dafür schauen wir uns die Situation natürlich auch vor Ort an. Das haben wir übrigens schon in der Trassenauswahl gemacht.

Wie steht es um das Bauverfahren?

Sie können einen Tunnel auf verschiedene Arten bauen. Also zum Beispiel bergmännisch, wenn Sie den Vortrieb im Untergrund mittels Bagger- oder Sprengvortrieb machen. Sie können aber genauso maschinell bauen, mit einer Tunnelbohrmaschine. Das hängt immer von den konkreten geologischen Verhältnissen ab.

Glauben Sie, den Zeitplan für diese Phase einhalten zu können, also bis 2025 auch konkrete Kosten nennen zu können?

Da bin ich sehr optimistisch. Wir sind gerade dabei, die Planungsleistungen auszuschreiben, wie die Objektplanungsleistungen, die Bohrleistungen zur Baugrunderkundung sind schon vergeben. Zum zeitlichen Ablauf: Heuer und nächstes Jahr werden wir die Grundlagen schaffen, um die Vorplanung 2024 abschließen zu können. Dabei werden wir auch die Kosten entsprechend bewerten. Die Zeiten sind solide ermittelt. 2025 werden wir das Projekt dem Bundestag vorlegen. Der Bundestag entscheidet dann auch, wie die Strecke gebaut werden soll.

Halten Sie es für möglich, dass der Bundestag die Strecke ablehnt, weil sie eben doch nicht wirtschaftlich ist?

Wir betrachten das durch die Planerbrille. Die Wirtschaftlichkeit kann konkret erst dann bewertet werden, wenn wir die nächsten Schritte gemacht haben. Einmal mit einer durchgängigen Vorzugstrasse, also auch mit dem Abschnitt bis Grafing. Zweitens müssen in diese Grundlagen dann die weiteren Ergebnisse aus der Vorplanung eingearbeitet sein. Mit diesem Ergebnis kann der Bund die Wirtschaftlichkeit beurteilen.

Wann rücken die Bagger an?

Anfang der 2030er-Jahre rücken sie an, nach dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens.

Darf ich fragen, wie alt Sie sind?

(Lacht) Ich habe das richtige Alter.

Heißt?

Das heißt, dass ich nach dem jetzigen Stand das Projekt komplett durchziehen kann. Ich werde jetzt 47, und 2040 wollen wir die Strecke in Betrieb nehmen.

Interview: Michael Weiser

Protest mit Lärmwelle entlang der Trasse

Die Vorschlagstrasse steht, vergangene Woche präsentierte die Bahn die violette Trasse. Dagegen formiert sich Protest: Am Samstag, 24. April, soll von 15 Uhr an alle fünf Minuten eine menschengemachte „Lärmwelle“ von Ostermünchen aus Richtung Oberaudorf „rasen“. Wer mitmachen will, ist von den Bürgerinitiativen gegen den Nordzulauf eingeladen, sich etwa mit Trillerpfeifen, Trommeln oder Kuhglocken an der Trasse zu postieren. Infos unter www.brenneraktion.de.we

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