Traunstein – Ein 53-jähriger Staatsschutzbeamter der Kripo Traunstein hat sich der „Strafvereitelung im Amt“ schuldig gemacht. Die Dritte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler bestätigte den Schuldspruch des Schöffengerichts Traunstein in diesem Punkt und verhängte gestern eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. In einem weiteren Vorwurf, einer Collage mit Nazi-Symbolen im Büro, erteilte die Kammer Freispruch.
Anwalt prüft
Revision
Das Schöffengericht Traunstein hatte den Angeklagten im Oktober 2020 wegen beider Punkte zu elf Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung, sowie Geldauflagen von 7200 Euro verurteilt (wir berichteten). Verteidiger Dr. Andreas Kastenbauer aus Traunstein hatte die erstinstanzliche Entscheidung per Berufung angefochten und prüft jetzt, in Revision zu ziehen.
Der Polizeibeamte hatte die Herkunft einer Textnachricht mit volksverhetzendem Inhalt, die von einem Kollegen stammte und an vier Personen sowie eine Whatsapp-Gruppe mit elf Mitgliedern weitergeleitet wurde, im Frühjahr 2018 angeblich nicht ermitteln können. Der Inhalt der Nachrichten war gegen ausländische Flüchtlinge gerichtet. Einer der Einzelempfänger meldete den Fall.
Der 53-Jährige bekam im März 2018 die Sachbearbeitung übertragen. Obwohl ihm gemäß Anklage die Herkunft bekannt war, schrieb er, der Absender sei „wegen gelöschter und überschriebener Daten nicht mehr feststellbar“. Im Februar 2019 fiel einer Staatsschutzkollegin auf, dass das sehr wohl möglich war. Nachermittlungen belegten das später. Gegen den Erstversender der Nachricht und den 53-jährigen „Weiterleiter“ endeten die Strafverfahren mit Geldstrafen und dienstrechtlichen Konsequenzen.
Staatsanwältin Stephanie Windhorst sah den seit zwei Jahren vom Dienst suspendierten 53-Jährigen, der sich in beiden Prozessen bezüglich der Strafvereitelung auf einen „Ermittlungsfehler“ und „Arbeitsüberlastung“ berufen hatte, des angeklagten Sachverhalts gestern „zweifelsohne“ überführt. „Die Einlassung des Angeklagten ist eindeutig widerlegt. Er ist ein erfahrener Kriminalbeamter“, betonte die Staatsanwältin. Aus falsch verstandenem Corpsgeist habe er den Kollegen schützen wollen: „Es war kein Fehler, sondern bewusstes Vereiteln.“
Für den Tatnachweis sei die Aussage der Staatsschutzkollegin nicht erforderlich, fuhr Stephanie Windhorst fort – obwohl sie der Zeugin voll glaube. Dass diese wegen Unstimmigkeiten mit dem Angeklagten „lüge“, sei „eine böswillige Unterstellung der Verteidigerseite“. Die Staatsanwältin forderte eine Gesamtstrafe von 16 Monaten mit zweijähriger Bewährungszeit und einer Geldauflage von 8000 Euro.
Verteidiger Dr. Andreas Kastenbauer aus Traunstein beantragte wie in erster Instanz in beiden Punkten „Freispruch“. Sein Mandant und die anderen Beteiligten seien „keine Neonazis“. Werde sein Mandant verurteilt, werde er zwingend aus dem Dienst entfernt. Er wiederholte, die Aussage der Bürokollegin sei nicht glaubhaft.
Punkt für Punkt ging Kastenbauer auf die Aussagen der einzelnen Zeugen ein. „Strafvereitler“ könne man nur sein, wenn eine strafbare Vortat zugrunde liege. Die Whatsapp-Nachricht erfülle „nicht eindeutig“ die Voraussetzungen des Bundesgerichtshofs für „Volksverhetzung“. Sein Mandant habe lediglich ein „Versehen“ begangen.
„Nach wie vor keiner Schuld bewusst“ zeigte sich der 53-Jährige im „letzten Wort“ hinsichtlich der Schautafel. Kein Vorgesetzter habe sie beanstandet. Zum zweiten Vorwurf erklärte der Angeklagte: „Ich bin unschuldig.“ Der Grund für seinen „Auswertefehler“ bei der Whatsapp-Nachricht sei „große Überlastung“ gewesen.
Hat der Angeklagte bei der Strafvereitelung absichtlich und wissentlich gehandelt? Diese Frage beantwortete der Vorsitzende Richter im Urteil mit einem klaren Ja. Der 53-Jährige sei jedoch „nicht oberflächlich und schlampig“ vorgegangen. Dazu Ziegler: „Es war ein außerordentlicher Fall von größter Bedeutung. Das halbe Polizeipräsidium war bei den Ermittlungen involviert.“ Die Zeugin habe die Tragweite des Falls erkannt. Der Angeklagte habe nicht reagiert, nichts in den Ermittlungsbericht geschrieben, habe vielmehr behauptet, der Absender sei nicht zu verifizieren. Auch um fachliche Hilfe habe er nicht gebeten. Fahrlässigkeit sei nicht mehr anzunehmen.
Bestrafung
verhindert
„Wir haben nicht den Eindruck, dass uns die Zeugin in irgendeiner Weise belogen hat“, unterstrich der Vorsitzende Richter weiter. In der Gesamtschau aller Umstände habe der 53-Jährige das Geschehen in seinem Bericht falsch dargestellt und verhindert, dass ein Polizeibeamter bestraft wird. Die Berufung der Staatsanwaltschaft, die auf eine noch höhere Strafe abgezielt hatte, verwarf das Gericht. Die Bewährungszeit und die -auflagen des Schöffengerichts seien „in Ordnung“.